Brücken bauen für neues Abkommen

Mexikos Klimabotschafter über den Beitrag von Industrie- und Schwellenländern

  • Lesedauer: 4 Min.
Noch verhandeln beim Klimagipfel in Kopenhagen die Diplomaten und Fachminister. Der ständige Vertreter Mexikos bei den Vereinten Nationen, LUIS ALFONSO DE ALBA, vertritt sein Land derzeit auch bei der Klimakonferenz in der dänischen Hauptstadt. Mit dem Diplomaten sprach ND-Autorin SUSANNE GÖTZE am Rande des Gipfels. Die nächste Klimakonferenz wird 2010 in Mexiko stattfinden.
Luis Alfonso de Alba, Klimabotschafter von Mexiko
Luis Alfonso de Alba, Klimabotschafter von Mexiko

ND: Heute beginnt die heiße Phase der UN-Klimakonferenz. Glauben Sie, dass es in zwei Tagen noch zu einer Einigung der 192 Staaten kommt, oder wird das erst auf der nächsten Klimakonferenz in Mexiko etwas?
de Alba: Ich bin immer noch zuversichtlich, dass wir ein Abkommen bis Freitag hinbekommen. Aber es wird sicherlich kein vollständiges Abkommen sein. Wir werden auch nach Kopenhagen noch viel Arbeit haben. Wir hoffen, dass in das Abkommen noch wichtige Forderungen integriert werden, denn was bis jetzt verhandelt wurde, war nicht zufriedenstellend. Bis jetzt war der ganze Prozess sehr bürokratisch und technisch. Mit den heute angereisten 120 Staatschefs kommt nun der politische Wille dazu.

Waren Sie überrascht über das in den letzten zwei Wochen Abgelaufene?
Enttäuscht. Ich hatte nach einem langen und schwierigen Verhandlungsmarathon gehofft, dass die Staaten mit weitaus ambitionierteren Angeboten nach Kopenhagen kommen. Einige Delegationen spielen eine sehr unkonstruktive Rolle in den Verhandlungen. Zudem gibt es sehr viel Misstrauen. Man kann nur hoffen, dass die Staatschefs das Blatt nun wenden.

Wer ist unkonstruktiv?
Es sind mehrere Länder. Es wäre unfair, eins herauszupicken. Es gibt diese uneinsichtigen Delegationen bei den Industrieländern und bei den Entwicklungsländern. Wir müssen uns klar machen, dass ein Abkommen nach dem Prinzip des Konsens erreicht werden muss, wie es in der UN üblich ist. Das ist kein ganz einfacher Prozess. Natürlich ist beispielsweise das Niveau der Klimaziele, die die Industrieländer angeboten haben, nicht sehr hilfreich. Problematisch sind auch ihre Angebote zu finanziellen Hilfen für arme Länder. Mit größeren Zusagen und höheren Klimazielen wäre vieles einfacher gewesen. Dann wäre es auch möglich, höhere Klimaschutzanstrengungen in Entwicklungsländern festzulegen. Doch auch sechs bis sieben Entwicklungsländer gehören zu den größten Emittern. Wir brauchen einen Deal, der alle verpflichtet.

Die Schwellenländer sollten sich also mehr einbringen?
China, Indien, Brasilien und Mexiko müssen Verantwortung tragen. Schauen Sie sich mein Land an: Wir haben uns bereit erklärt, 30 Prozent unserer Emissionen bis 2020 zu reduzieren – auf Basis des heutigen Emissionsniveaus. Wir dürfen die historische Verantwortung der Industrieländer nicht klein reden, aber wir müssen auch selbst Verantwortung übernehmen. Das gilt für die technische wie auch für die finanzielle Seite des Klimaschutzes. Mexiko versucht Brücken zu bauen.

Wie arbeiten denn die Entwicklungsländer in der Gruppe 77 zusammen?
Die G77 sind eine sehr zerstrittene, heterogene Gruppe. Wir sind nicht mehr Mitglied der G77, aber wir wissen genau, wie schwierig es innerhalb dieser Gruppe ist. Ein Land wie China oder Indien hat einfach nicht die gleichen Interessen wie ein sehr armes, unterentwickeltes Land. Mexiko ist dabei in der Mitte. Wir wollen uns nicht hinter einer Gruppe verstecken.

Sie sind aber zusammen in einer Gruppe, die sich »Environmental Integrity Group« nennt?
Ja, das sind nur fünf Mitglieder, unter anderem Südkorea und die Schweiz. Es ist die einzige Gruppe, in der Industrie- und Entwicklungsländer gemeinsam vertreten sind. Wir müssen viel mehr über traditionelle Grenzen hinaus zusammenarbeiten. Die alte Gruppenstruktur ist in den letzten Jahren sehr unproduktiv gewesen. In Zukunft muss jedes Land, egal welcher Herkunft, ein Minimum an eigener Verantwortung zeigen.

Was hat Mexiko für die nächsten Jahre vorgeschlagen?
Wir wollen bis 2012 bis zu sechs Prozent reduzieren. Zudem haben wir zusammen mit Norwegen vorgeschlagen, dass jedes Land je nach seiner wirtschaftliche Leistung und seinem Wohlstand Geld für Klimaschutzmaßnahmen bereit stellt. Industrieländer wie Entwicklungsländer – jeder nach seinen Möglichkeiten. Mexiko ist bereit, seinen Anteil beizusteuern.

Was halten Sie von den zugesagten Soforthilfen der EU?
Das ist ein guter Anfang, aber das wird die Probleme nicht lösen. Kurzfristig müssten mindestens 30 bis 40 Milliarden Dollar bereit gestellt werden – am besten noch vor 2020. Es ist aber wichtiger, langfristige Vorschläge zu machen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.