Das Nullverschuldungsland
Schweriner Landtag hat umstrittenen Doppelhaushalt verabschiedet
Es gibt viele Statistiken, in denen der Nordosten ganz hinten steht, doch in einer Disziplin sieht sich Schwerin ganz vorne: der Haushaltspolitik. »Insgesamt werden die Bundesländer im kommenden Jahr Kredite von über 30 Milliarden Euro aufnehmen. Der Anteil unseres Bundeslandes daran beträgt 0,0 Euro«, sagte eine stolze Landesfinanzministerin Heike Polzin (SPD) bei der Verabschiedung des Doppelhaushaltes für 2010 und 2011 am Donnerstag. Sieben Milliarden Euro will die Landesregierung jährlich ausgeben. Größter Posten sind mit 1,7 Milliarden Euro jährlich die Personalkosten. Für Sozialleistungen sind 1,1 Milliarden Euro geplant, für die Kommunen knapp eine Milliarde. Investiert werden soll für 1,2 Milliarden Euro jährlich.
Finanziert werden soll der Haushalt ohne Kredite. In einer Woche, in der die Bundesregierung eine Rekordverschuldung von knapp 86 Milliarden Euro meldet und andere Landesregierungen weitere Milliarden-Pleiten aus den Geschäften ihrer Landesbanken eingestehen müssen, ist das eine ungewöhnliche Meldung.
Gerade deswegen aber war der Haushalt im Vorfeld auch sehr umstritten. Linkspartei-Fraktionschef Helmut Holter nannte den Beschluss ein »Dokument des Versagens zu Lasten der Bürger«. Das einzige Ziel der Koalition habe »in der schwarzen Null« bestanden.
»Das ist zu wenig«, so Holter. Es sei die Chance verpasst worden, in der Krise Weichen zu stellen. Die Linkspartei hatte vorgeschlagen, wie die meisten Länder Kredite aufzunehmen, um der Krise entgegenwirken zu können. Holter monierte das Fehlen von einerseits aktiver Arbeitsmarktpolitik wie etwa öffentlich geförderter Beschäftigung und andererseits von Investitionsimpulsen in Bereichen wie regenerativer Energie und Bildung. FDP-Fraktionschef Michael Roolf vermisste »echte Spareffekte« und schlug unter anderem die Zusammenlegung von Wirtschafts- und Verkehrsministerium vor. Roolf ist aber wie Holter der Meinung, dass dem Haushalt der Wille zur Gestaltung fehle. Er sprach von einem »kleinsten gemeinsamen Nenner«.
SPD-Haushaltspolitiker Rudolf Borchert hob dagegen Umschichtungen in den Sozial- und Bildungsbereich hervor: Für Pflegestützpunkte soll es 750 000 Euro mehr als geplant geben. Für Familienhebammen gebe es je 100 000 Euro mehr, für Sozialverbände 200 000 Euro, sagte der SPD-Finanzexperte Rudolf Borchert.
Bereits eingepreist in diesen Haushalt ist das überaus umstrittene Finanzausgleichsgesetz. Kreise, Städte und Gemeinden mussten auf einen dreistelligen Millionenbetrag verzichten, vor Ort können sie oft nur durch eingeschränkte Angebote, vor allem bei den »freiwilligen Leistungen«, etwa im Kulturbereich, reagieren. Teile dieser Verluste sollen in einem kommunalen Ausgleichsfonds kompensiert werden, den die Kommunen allerdings erst selbst aufbauen müssen – mit oft geliehenem Geld.
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