Merkels schöne Bescherung

Schwarz-gelber Familienstreit nahm in der Länderkammer sein freundliches Ende

  • Marian Krüger
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Länderkammer hat gestern dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz zugestimmt. Damit werden die umstrittenen Steuersenkungen für das Hotelgewerbe verwirklicht, die Erbschaftssteuer wird weiter gesenkt und es wird einen höheren Kinderfreibetrag geben. Außerdem steigt das Kindergeld.

Das Gesetz verursacht jährliche Kosten in Höhe von 8,5 Milliarden Euro, davon haben die Länder und Gemeinden etwa 3,8 Milliarden Euro als Mindereinnahmen zu verbuchen. Deswegen musste Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre eigenen widerspenstigen CDU-Ministerpräsidenten mit weitreichenden Kompensationsangeboten auf Linie bringen. Sie hatten, allen voran der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, wochenlang getrommelt, das Gesetz sei angesichts der riesigen krisenbedingten Einnahmeausfälle jenseits der finanzpolitischen Realitäten. So musste die Kanzlerin, um ihr Wachstumsbeschleunigungsgesetz durchzubringen, ihrerseits ein Paket versprechen: Für das klamme Schleswig-Holstein soll es jetzt mehr Sanierungshilfen geben. Und beim Bildungsgipfel legte der Bund noch mal vier Milliarden Euro für die Länder drauf. Auch bei anderen Streitfällen, etwa den Wohnkosten für Hartz-IV-Betroffene, will der Bund den Ländern entgegen kommen.

Doch der der dicke Batzen, der den Ländern auf dem Bildungsgipfel versprochen wurde, hilft nicht wirklich. Denn jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Entweder für Bildung oder zum Stopfen der Löcher, die die Bundesregierung gerade in die Länderetats gerissen hat. Als »dreiste Mogelpackung« bezeichnete deshalb Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) die Zusagen des Bundes beim Bildungsgipfel – nicht zu Unrecht.

Die Erhöhung des Kindergeldes um 20 Euro wirkt da wie ein billiges Alibi. Hartz-IV-Betroffene gehen leer aus. Wer als Besserverdienender einen höheren Freibetrag geltend machen kann, erhält dagegen bis zu 37 Euro. Auch aus konjunkturpolitischer Sicht ist das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ein Rohrkrepierer. Denn die Hotelbranche macht gar keinen Hehl daraus, dass sie keine Absicht hat, die Steuerermäßigungen für Übernachtungen an die Kunden weiterzugeben.

Der Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf (LINKE) sieht in dem Gesetz daher vor allem einen Etikettenschwindel. Denn die Steuerausfälle bei Ländern und Kommunen werden keineswegs das Wachstum beschleunigen, sondern behindern vielmehr öffentliche Investitionen. Die haushaltspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Gesine Lötzsch, verband die Ablehnung der beschlossenen Steuersenkungen mit der Forderung, »jetzt endlich einmal die zur Kasse zu bitten, die die Wirtschaftskrise verursacht haben«.

Die Bundesregierung hat wochenlang um die Bundesratsmehrheit gerungen, so als ob ihr eine harte Oppositionsfront gegenübergestanden hätte. Doch es waren die von Schwarz-Gelb regierten Bundesländer, die mit teuren Zugeständnissen und wohlfeilen Angeboten eingefangen werden mussten. Und das ist die Zwickmühle für Merkel: Je stärker sie den Ländern entgegenkommt, um deren Kassenproblem zu verkleinern, desto größer wird das des Bundes. Die Auseinandersetzung hat klar gemacht, dass auch die CDU-Landesfürsten nicht bereit sind, die Steuergeschenke der CDU und der FDP zu bezahlen, die diese in den kommenden Jahren in noch größerem Umfang verteilen wollen. Noch konnte dieser Streit »in der Familie« beigelegt werden, weil die Bundesratsmehrheit für Union und FDP steht, solange die Union kein weiteres Bundesland verlieren sollte. Das könnte das erste Mal im Mai nächsten Jahres in Frage gestellt werden. Denn zu diesem Zeitpunkt wird in Nordrhein-Westfalen ein neuer Landtag gewählt.

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