Ein Verrat an der Zukunft
Kopenhagener Klima-Konferenz endete ohne verbindliches Abkommen
Zum Ende der Klimakonferenz von Kopenhagen wurde es turbulent. Verzweifelte Reden und eine überforderte dänische Verhandlungsleitung prägten das Bild. Ein Abkommen wurde nicht erzielt, da die Staatengemeinschaft die von den Mächtigen der Welt im Hinterzimmer erarbeitete Erklärung nur zur Kenntnis nahm.
Am Freitagabend stiegen US-Präsident Barack Obama, Bundeskanzlerin Angela Merkel und die anderen Großen der Welt in ihre Flugzeuge und verließen Kopenhagen – dann nahm das Desaster seinen Lauf. Kaum war die nächtliche Plenarsitzung der UN-Klimakonferenz eröffnet, entlud sich die Empörung über den von Obama, Merkel und Co. zuvor im Streit vor allem mit Chinas Premier Wen Jiabao verhandelten Minimalkompromiss, der die Weichen für die Klimaschutzpolitik der kommenden Jahrzehnte stellen soll.
Zwei Wochen lang hatte sich die Konferenz hingeschleppt. Dann nahmen die Staats- und Regierungschefs das Heft in die Hand. Am Donnerstagabend wurde am Rande des Staatsbanketts bei Dänemarks Königin Margrethe II. eine Runde von 25 Staaten zusammengestellt, die sich daranmachte, eine politische Erklärung als Richtschnur für das künftige neue Klimaschutzabkommen auszuarbeiten. So sollte das schwerfällige UN-Prozedere im Plenum mit über 190 Delegationen umgangen werden.
Wegen des mageren klimapolitischen Gehalts des Resultats war aber auch den Autoren selbst sichtlich nicht wohl. »Ich muss sagen, dass ich das Ergebnis mit gemischten Gefühlen sehe«, sagte Merkel, bevor sie eilends den Ort des Geschehens verließ. Als »unzureichend« wertete auch Obama den Drei-Seiten-Text, dessen einzige konkrete Zahlen sich auf die Anerkennung der Zwei-Grad-Grenze für die Erderwärmung und auf milliardenschwere Angebote an die Entwicklungsländer für Klimaschutz und Anpassung an die Klimafolgen beziehen.
Die Rache für die Umgehung des üblichen Beratungsverfahrens kam in der Nacht zum Samstag gleich zu Beginn der Plenarsitzung, in der die »Kopenhagener Übereinkunft« gebilligt werden sollte. Den Anfang machte der Vertreter des winzigen Inselstaats Tuvalu, Ian Fry. »Das wäre das Ende von Tuvalu«, stellte er sich dem Text entgegen, aus dem maßgeblich auf chinesisches Betreiben sämtliche verbindlichen Emissionsgrenzen für Treibhausgase herausgenommen worden waren. »Sie boten 30 Silberlinge für den Verrat an unserer Zukunft«, warf Fry in Abwandlung eines Bibelzitats und mit Blick auf die Finanzhilfen den beteiligten Staats- und Regierungschefs vor.
Er blieb mit seinem Widerstand nicht allein. Mit der Mitwirkung bei der Kungelei unterstütze er einen »Staatsstreich gegen die Vereinten Nationen«, musste sich der immer verzweifelter wirkende Konferenzpräsident, Dänemarks Premier Lars Løkke Rasmussen, von Venezuelas Vertreterin Claudia Salerno Caldera anhören. Dann deckte die Delegation Costa Ricas auf, dass der Hinweis auf ein künftiges »rechtlich bindendes« Abkommen aus der Beschlussvorlage verschwunden war.
Fast schon hilfreich war es für Rasmussen, als Sudans Delegierter Lumumba Stanislaus Di-Aping mit einem Holocaust-Vergleich daherkam, weil dies eine gewisse Solidarisierung mit der dänischen Präsidentschaft auslöste. Gerettet wurde die Erklärung letztlich nur durch einen Verfahrenstrick, wonach der Text vom Plenum nur »zur Kenntnis genommen« wurde. Damit ist zwar die Rechtsgrundlage für die geplanten Soforthilfen für Entwicklungsländer gegeben, es fehlt aber die Rückendeckung der Staatengemeinschaft.
Umweltschützer werteten die Erklärung als »völligen Fehlschlag«. »Ich gehe mit leeren Händen, ohne etwas, womit ich meiner Enkeltochter erklären kann, warum ich eigentlich zwei Wochen weg gewesen bin«, sagte in der Schlussdebatte auch der Vertreter der wie Tuvalu überflutungsgefährdeten Marshall-Inseln.
Die Hoffnung, die in Kopenhagen immer wieder geäußert wurde, war die auf Fortschritte in der Zukunft. Erste Gelegenheit dazu wird die für Juni geplante Zusatzkonferenz in Bonn sein. Im Dezember 2010 folgt die nächste reguläre Klimakonferenz in Mexiko.
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