Bittere Tränen zum Weihnachtsfest
Beim insolventen Versandhändler Quelle gingen am vergangenen Samstag die Lichter endgültig aus
Bis zum Sommer schien Quelle ein Traditionsunternehmen zu sein, das alle wirtschaftlichen Krisen überstehen würde. Dann wurde die Verwundbarkeit des einstigen Imperiums mehr als deutlich – am Ende stand die Insolvenz. Am Samstag schlossen die letzten Kaufhäuser ihre Pforten.
»Weihnachten fällt dieses Jahr aus.« Frustriert blickt Verkäuferin Michaela Zeug auf die leeren braunen Kartons, die sich vor ihr auf dem Rollwagen stapeln. »Wie will man denn da Heiligabend feiern?« Es ist der Samstag vor dem 4. Advent und zugleich sind es die letzten Stunden des Nürnberger Quelle-Kaufhauses, in dem Michaela Zeug 19 Jahre lang gearbeitet hat. Auch in den verbliebenen gut 30 Technik-Centern von Quelle gingen am vergangenen Samstag endgültig die Lichter aus.
Die zurückliegenden Wochen waren eine große Belastung für alle Mitarbeiter – vor allem psychisch. »Wir hatten in den letzten Monaten einen deutlich höheren Krankenstand«, berichtet der Geschäftsführer des Einkaufszentrums, Frank-Peter Grätz. Die Schweinegrippe tat ihr Übriges. »Die Leute sind emotional stark betroffen. Ich habe noch nie so viele Menschen traurig und weinen sehen«, schildert der 61-Jährige den Zustand seiner Mitarbeiter und fügt hinzu: »Circa 75 der noch übrig gebliebenen 100 Mitarbeiter gehen am Montag vor Weihnachten in die Arbeitslosigkeit.«
Eine gespenstische Atmosphäre herrscht in den riesigen Hallen und Fluren des Quelle-Versandzentrums in Nürnberg. Die meisten Arbeitsplätze sind längst nicht mehr besetzt; vereinzelt hört man noch jemanden auf der Computertastatur herumklappern. In den Gängen stehen Rollwagen mit Akten. Die Leute hier haben schon ihre Kündigung in der Tasche; niemand wisse, wann nun die »Freistellung« komme, sagt einer. Meist wird sie vom Insolvenzverwalter von heute auf morgen ausgesprochen. »Das ist wie Russisches Roulette.« Ruhig geworden ist es auch in der einstigen Quelle-Machtzentrale an der Nürnberger Straße in Fürth, wo viele Räume leer stehen. An den Ölporträts der einstigen Firmenpatriarchen Grete und Gustav Schickedanz in der Eingangshalle kommt dennoch kein Besucher vorbei.
Unterdessen hat der frühere Quelle-Pressesprecher Manfred Gawlas mit der Sicherung von wichtigen Zeugnissen der Firmengeschichte begonnen. Gerade noch rechtzeitig vor dem Anrücken der Räumkommandos hat er zusammen mit Kollegen in Büros, Kellern und Versandhallen historische Quelle-Kataloge, alte Fotos, Filme, längst nicht mehr aktuelle Werbeschilder und Kundenbriefe der Quelle-Gründer gesichert.
Ermuntert hat ihn dazu der Leiter des Nürnberger Museums für Industriekultur, Matthias Murko. Der Museumschef war beim Anblick der teils jahrzehntealten Archivalien begeistert: »Das sind wahre Schätze, die dürfen nicht verloren gehen.« Alte Fotoapparate und andere Produkte ergänzen inzwischen die Sammlung. Ein Teil davon soll bei nächster Gelegenheit in einer Ausstellung gezeigt werden.
Im Quelle-Kaufhaus Nürnberg kommt bei den Verkäuferinnen Wehmut beim Anblick der nackten Regalwände auf. Wo sich früher teure Uhren in den Glasscheiben der Auslagen spiegelten, stehen heute leere Schmuckschachteln für den Niedergang des Traditionshauses. Als hier am Samstagabend um 17 Uhr zum letzten Mal die Türen zugeschlossen wurden, setzten sie sich alle noch einmal zusammen und verabschiedeten sich voneinander. »Es war halt eine Familie, trotz alledem«, sagt Verkäuferin Michaela Zeug und kämpft mit den Tränen.
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