Kutter bleiben im Hafen

Ostdeutschland verliert seine Küstenfischer

  • Martina Rathke, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Die von der Europäischen Union vorgegebenen Fangquoten machen den Ostseefischern zu schaffen.
Sassnitz/Freest. Immer mehr Kutter- und Küstenfischer in Ostdeutschland stellen angesichts der anhaltenden Beschränkungen durch die EU das Fanggeschirr in die Ecke und geben ihren Beruf auf. In der Fischereigenossenschaft Freest in Mecklenburg-Vorpommern suchen sich zum Jahresende zwei Ostseefischer einen neuen Job, aus der Genossenschaft Haffküste wechseln vier Fischer in den Nebenerwerb. »Die Kutter wurden in den letzten Jahren auf Verschleiß gefahren, die Erlöse können die Investitionen nicht mehr decken«, sagte der Vorsitzende der Fischereigenossenschaft, Michael Schütt.

Der Landesverband der Kutter- und Küstenfischer zählt derzeit rund 280 Mitglieder. »Ich hoffe, dass im kommenden Jahr die Zahl nicht unter 250 sinkt«, sagte der Verbandsvorsitzende Norbert Kahlfuß. Vor 19 Jahren warfen noch mehr als 1000 Fischer an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns ihre Netze aus, im Jahr 1956 zählten Forscher an diesem Küstenstreifen über 2500.

Die Kutter- und Küstenfischer, hinter denen ein turbulentes Jahr mit zwei Großdemonstrationen liegt, ziehen für das Jahr 2009 eine nüchterne Bilanz. Die erneute gesenkte Heringsfangmenge sei bereits im Frühjahr fast vollständig abgefischt worden, sagte Kahlfuß. Beim Dorsch hätten die Fischer einen Preisverfall von fast 40 Prozent hinnehmen müssen. Die Quoten für den Dorsch wurden im Gegensatz zum Hering nicht vollständig abgefischt. Angaben zu den Betriebserlösen liegen noch nicht vor, dürften nach ersten Schätzungen aber nicht über dem durchwachsenen Vorjahresergebnis liegen. Damals erzielten die Kutter- und Küstenfischer Erlöse von rund 13,2 Millionen Euro.

Die Fischer begrüßten den von Agrarminister Till Backhaus (SPD) initiierten Hilfsfonds für bedürftige Fischer in Höhe von einer Million Euro. »Dieser Fonds ist ein Schritt in die richtige Richtung«, sagte der Freester Schütt.

Für 2010 erwarten die Fischer keine Besserung. Schwer zu schaffen macht ihnen vor allem die erneute Absenkung der Quote ihres »Brotfisches« Hering um weitere 16,5 Prozent. Der Anstieg der Dorschquote werde die Verluste beim Hering nicht kompensieren, sagte Schütt. Alle Erwartungen richteten die Kollegen jetzt auf den Frühjahrshering. Sollte wie im vergangenen Jahr wieder viel Fisch in die Küstengewässer schwärmen, kämen die Forscher weiter in Erklärungsnot, ergänzte Schütt. Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) hatte die Kürzung der Heringsfangmengen mit der mangelnden Reproduktion von Jungtieren begründet.

Zwar dürfen die Fischer 2010 in der östlichen Ostsee rund 15 Prozent und in der westlichen Ostsee 8,6 Prozent mehr Dorsch fangen. Die angekündigte Erhöhung der Fangquoten sei jedoch nicht gleichzusetzen mit steigenden Erlösen, sagte Kahlfuß, der auf die anhaltend niedrigen Dorschpreise verwies. Mit den kleinen, schwach motorisierten Kuttern seien die Fanggebiete zudem kaum zu erreichen.

»Die Kutter- und Küstenfischerei ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Identität in Mecklenburg-Vorpommern«, betonte Agrarminister Till Backhaus (SPD). Er werde sich vehement dafür einsetzen, dass die Fischer auch in Zukunft von ihrer Arbeit leben könnten. Der Hilfsfonds sei nur eine Maßnahme. »Wir wollen die Fischer auch bei der Entwicklung neuer Marketingmaßnahmen unterstützen«, sagte er. Es müsse gelingen, die zurückgehenden Fangmengen durch höhere Preise auszugleichen. Die Fischer müssten aber auch bereit sein, über Einkommensalternativen nachzudenken, sagte Backhaus.

Mit dem Berufsbild eines für Touristen tätigen Schaufischers können sich die Fischer bisher jedoch nicht richtig anfreunden. »Wie soll das gehen?«, fragte sich Kahlfuß. Die Kutter könnten die bei der Mitnahme von Touristen geltenden strengen Sicherheitsanforderungen nicht erfüllen. Zum einen seien besondere Rettungsmittel nötig, zum anderen fehle der Platz auf den Kuttern. Kahlfuß rechnet damit, dass wegen der aus seiner Sicht rigiden EU-Fischereipolitik immer weniger Fischer in Mecklenburg-Vorpommern im Haupterwerb tätig sein werden.

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