Weihnachtsgeschenk für Indiens Dalits?
Eine große Schicht sozial Ausgegrenzter kämpft um ihre Gleichberechtigung
Nun liege es an der Regierung, für Gerechtigkeit zu sorgen, kommentierte der Menschenrechtler John Dayal, der besonders für die Interessen der christlichen Minderheit Indiens eintritt, das Ereignis. Die Dalits – immerhin rund 16 Prozent des 1,2-Milliarden-Volkes – stehen außerhalb des hinduistischen Kastenwesens auf der untersten sozialen Stufe und werden in vielen Landesteilen immer noch als Unberührbare geächtet. Kastenhindus diskriminieren, schlagen, töten die Ausgestoßenen, wenn die absichtlich oder unbeabsichtigt die Kastengrenzen überschreiten. Sie dürfen beispielsweise kein Wasser aus dem Dorfbrunnen schöpfen, aus dem sich Angehörige der Oberkasten bedienen. Sie dürfen deren Tempel nicht betreten. Bei Auseinandersetzungen etwa um Landbesitz ziehen in der Regel die Kastenlosen den Kürzeren, weil sich die Behörden parteiisch verhalten. Wegen dieser Ausgrenzung konvertierten und konvertieren Dalits zum Christentum, zum Islam, zum Buddhismus oder zum Sikhismus. Damit entrinnen sie zwar der Kastenhierarchie. Doch ihr sozialer Status bleibt meistens unverändert. Sie gehören weiter zu den Ärmsten der Armen. Deshalb bestehen seit Langem gesetzliche Regelungen, die Rechtlosen wirtschaftlich und politisch zu fördern. So gibt es für sie eine Beschäftigungsquote in staatlichen Unternehmen und Verwaltungen, an Universitäten und öffentlichen Institutionen. Doch bislang gelten solche Vergünstigungen nicht für christliche Dalits. Der Bericht der Minderheitenkommission öffnet ihnen nach Jahrzehnten zähen Ringens zumindest den Weg zur Gleichberechtigung.
Ein weiterer Vorschlag in dem Report, den nichthinduistischen Minderheiten 15 Prozent der Sitze an allen Bildungseinrichtungen zu sichern, stößt dagegen auf den erbitterten Widerstand hindufundamentalistischer Gruppen. Sie bewerten diese Initiative als »verfassungswidrig« und kündigten landesweite Protestaktionen an.
Zeitgleich mit der Vorlage des Kommissionsberichts sitzt Udit Raj, einer der prominenten Dalit-Führer Indiens, im Jantar-Mantar-Park im Zentrum Delhis und will nach Gandhi-Manier mit einem »Hungerstreik bis zum Tode« weitere Rechte der Kastenlosen erkämpfen. Er fordert, dass auch im Privatsektor ein Quotensystem für Dalits eingeführt wird. Das Parlament hatte dafür bereits einen Gesetzentwurf erarbeitet, der aber in diesem Jahr wieder zurückgezogen wurde. Udit Raj erhält Unterstützung. Ardhendu Bhushan Bardhan, Generalsekretär der KP Indiens, suchte ihn auf und erklärte sich solidarisch mit ihm, ebenso der Hindureformer Swami Agnivesh, der Parlamentsabgeordnete Kamal Kishore und zahlreiche Menschenrechtsaktivisten.
Joseph d’ Souza vom Dalit Freedom Network erklärte den Hintergrund des Hungerstreiks: Nach grundlegenden Reformen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik in den 90er Jahren sei der staatliche Sektor geschrumpft. Viele staatliche Betriebe seien privatisiert worden. Deshalb seien Millionen Jobs verloren gegangen. Die große Mehrheit der privaten Unternehmen, inklusive die Filialen multinationaler Konzerne, hätten keinerlei Regelungen für Dalits. Politik und Wirtschaft müssten dafür sorgen, »vernachlässigte Bürger, besonders die Dalits, in die neue Ökonomie einzubeziehen«.
Madhu Chandra vom Allindischen Christlichen Rat verwies auf die in den letzten Monaten noch verschärfte Situation. Die Preise für Grundnahrungsmittel stiegen drastisch. Das kombiniert mit der Tatsache, dass viele Menschen keine feste Anstellung im wachsenden Privatsektor bekommen, bedeute für Millionen Dalits, ums Überleben kämpfen zu müssen.
ND-Karte: Wolfgang Wegener
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