Litauer enttäuscht von ihrer Regierung

Sehnsucht nach der Ära Brazauskas

  • Berndt Frisch
  • Lesedauer: 2 Min.
Den Litauern schlägt zum Jahreswechsel nicht nur die Kälte des Winters ins Gesicht, sie müssen sich auch mit neuen sozialen Härten plagen.

Die konservativ-liberale Regierung unter Ministerpräsident Andrius Kubilius strich ihren Bürgern in diesem Jahr bereits das Kindergeld und erhöhte die Mehrwertsteuer auf 21 Prozent – ausgenommen waren die Heizkosten, die mit 9 Prozent besteuert werden. Zum 1. Januar 2010 tritt zudem eine Rentenkürzung in Kraft, die zwischen 5 und 20 Prozent liegt. Immer mehr Kleinunternehmer müssen angesichts der schwerer gewordenen Lasten Konkurs anmelden.

In Anbetracht dessen sind die Ergebnisse jüngster Meinungsumfragen der Tageszeitung »Lietuvos Rytas« für die Regierungsparteien ernüchternd. Die Heimatunion von Premier Kubilius, die bei den Parlamentswahlen im Oktober 2008 immerhin knapp 20 Prozent der Stimmen erhalten hatte, käme jetzt nur noch auf 9,6 Prozent. Noch schlimmer erginge es ihren Koalitionspartnern: Die Liberale Bewegung (4,1 Prozent) und die Liberalen / Zentrumsunion (1,3 Prozent) würden aus dem Seimas verbannt.

Gewinner aus der Sicht der Wahlforscher sind die Oppositionsparteien: Den Sozialdemokraten (2008: 11,7 Prozent), trauen gut 16 Prozent der Wähler eine bessere Politik zu, knapp 11 Prozent wünschen sich die Partei »Ordnung und Gerechtigkeit« des ehemaligen Staats- und Ministerpräsidenten Rolandas Paksas im Parlament. Alle anderen Parteien bleiben unter Fünfprozenthürde.

Eigentlich haben alle derzeit agierenden Politiker das Vertrauen der Bürger verloren. Nur noch 2,3 Prozent sehen ihre Interessen von den Politfunktionären vertreten. Da kommt fast Sehnsucht nach der Ära des Algirdas Brazauskas auf. Der letzte Chef der Kommunistischen Partei Litauens zu sowjetischen Zeiten war im unabhängigen Litauen zunächst Präsident und bis 2006 Regierungschef.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.