Frankreichs Verfassungsrat kippt CO2-Abgabe
Allzu üppige Ausnahmen im Gesetz für die Wirtschaft verletzen das Gleichheitsprinzip
Anfang Januar sollte in Frankreich eine CO2-Abgabe auf fossile Energieträger in Kraft treten. Die von Präsident Nicolas Sarkozy großspurig angekündigte Ökosteuer sollte Kohle, Gas, Treibstoffe und Heizöl betreffen. Strom hingegen, der in Frankreich fast ausschließlich in Atomkraftwerken erzeugt wird, wäre sie erspart geblieben. Darüber hinaus sollten 93 Prozent der über Treibstoffe hinausgehenden CO2-Emissionen der Industrie unberücksichtigt bleiben. Das wurde damit begründet, dass es für die Industrie bereits auf EU-Ebene ein System von CO2-Emissionsrechten gibt – die bisher freilich kostenlos vergeben werden. Und die Industrie dürfe im internationalen Wettbewerb nicht benachteiligt werden. Die auf zunächst 17 Euro pro Tonne CO2 festgelegte Abgabe, die sich später schrittweise erhöhen soll, hätte eine Verteuerung von Treibstoff um durchschnittlich 4,5 Cent pro Liter mit sich gebracht. Auf einen Privathaushalt, der mit Öl heizt, wären Mehrkosten von 200 bis 400 Euro pro Jahr zugekommen.
Offizielles Ziel der Steuer ist es, die Verbrauchsgewohnheiten zu ändern und Bürger wie Wirtschaft anzuhalten, sich ökologisch bewusster zu verhalten. So soll die Selbstverpflichtung Frankreichs erfüllt werden, bis 2050 die CO2-Emissionen auf ein Viertel des Standes von 1990 zu senken. Dafür hatte jedoch eine von Ex-Premier Michel Rocard geleitete Expertenkommission einen Ausgangspreis von 32 Euro pro Tonne CO2 empfohlen, der bis 2030 auf 100 Euro gesteigert werden solle. Doch davor scheute die Regierung zurück und zahlreiche Ausnahmen stellten die Tragweite des Gesetze in Frage. Während etliche Wirtschaftszweige dank Lobby-Arbeit mehr oder weniger große »Rückerstattungen« aushandeln konnten, die beispielsweise für den Straßengütertransport 30 Prozent und für die Fischer 75 Prozent der Abgabe ausmachen, wäre die breite Masse der Franzosen unmittelbar getroffen worden. Um diese offensichtliche soziale Ungerechtigkeit abzumildern, sollten Haushalte auf dem Lande, die zumeist größere Häuser zu beheizen haben und mangels öffentlicher Verkehrsmittel auf das eigene Auto angewiesen sind, jedes Jahr einen »grünen Scheck« erhalten, der die Mehrausgaben zumindest teilweise kompensiert.
Nun aber hat der Verfassungsrat die Einführung der Abgabe gekippt und eine Überarbeitung angewiesen. Die Abgabe enthalte zu viele Ausnahmen, betreffe weniger als die Hälfte der Klimagas-Emissionen und verstoße darum gegen das Grundprinzip der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, teilten die neun »Weisen« am Mittwoch mit. Zu ihnen gehören auch die ehemaligen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing und Jacques Chirac.
Die Ankündigung von Premierminister François Fillon, die Regierung werde bis zum 20. Januar eine Neufassung des Gesetzes vorlegen, die »alle Hinweise des Verfassungsrates berücksichtigt«, stößt bei Beobachtern auf äußerste Skepsis. Immerhin betrifft die Kritik die Grundprinzipien des Gesetzes und nicht nur Details. Die linken Oppositionsparteien werteten das Urteil des Verfassungsrates als schwere Niederlage für Präsident Sarkozy, der die CO2-Abgabe zur »Chefsache« gemacht hatte und dem Gesetz die gleiche Bedeutung beimaß wie der Abschaffung der Todesstrafe 1981 unter Präsident François Mitterrand.
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