Mangel regiert auf allen Ebenen

Senegal: Mit einer kollektiven Hirsemühle gehen die Frauen von Baghagha den Kampf gegen Armut und für Frieden an

  • Julia Ziegler
  • Lesedauer: 5 Min.
So kann Frieden werden – eine kollektive Hirsemühle als Beispiel für eine friedensfördernde ökonomische Maßnahme der senegalesischen Frauen- und Friedensorganisation USOFORAL (»Tun wir uns zusammen«). USOFORAL setzt sich seit 2004 mit Hilfe des Weltfriedensdienstes (WFD) für ein Ende der Gewalt in der Casamance im Süden Senegals ein.
Gemeinschaftlich geplant und betrieben: die Hirsemühle in Baghagha
Gemeinschaftlich geplant und betrieben: die Hirsemühle in Baghagha

In den kleinen Dörfern der senegalesischen Provinz Casamance werden die gesellschaftlichen Auswirkungen des langjährigen Konflikts um die Unabhängigkeit besonders spürbar, so auch in Baghagha. Die Menschen haben sich aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen. Wo früher ein reger Austausch herrschte, gibt es heute keine übergreifenden Aktivitäten mehr. In Baghagha leben Angehörige der ethnischen Gruppen Diola, Toucouleur, Fulbe, Baynouck, Mandeng, Manjack, Susu und Bambara schon mehrere Jahrzehnte friedlich zusammen, so wie in weiten Teilen Senegals auch. Aber heute leiden alle unter dem Problem knapper werdender natürlicher Ressourcen, Mangel regiert auf allen Ebenen.

Kein Brot ohne gemahlene Hirse

Die erste Sorge aller Menschen ist noch immer das tägliche Brot, in dieser Gegend die tägliche Hirse. Zum Mahlen der Hirse mussten die Frauen aus Baghagha bisher in den Nachbarort fahren. Allein die Fahrt kostete den Gegenwert von vier Kilogramm Hirse. Kein Wunder, dass die Frauen eine eigene Mühle wollten, als Mitarbeiter von USOFORAL im Juni 2008 in diesem Dorf die wichtigsten Bedürfnisse ermittelten. Wer Frieden und Versöhnung will, darf nicht nur davon reden. Anfang 2009 beschloss USOFORAL, das Projekt Hirsemühle anzugehen, und der WFD gab grünes Licht für eine Teilfinanzierung. Auch die Frauen leisteten ihren Beitrag. Über Wochen sammelten sie Geld. Jede Frau steuerte 1000 Zentralafrikanische Francs bei, 1,50 Euro. Das klingt wenig für europäische Ohren, ist aber viel für Verhältnisse, in denen es fast unmöglich ist, an Bargeld zu kommen. Und vor allen Dingen mussten die Frauen, die sich im Organisationskomitee engagierten, zunächst Überzeugungsarbeit leisten. Würde USOFORAL die Mühle wirklich liefern? Würden sich nicht einige Wenige die Mühle aneignen? Das anfängliche Misstrauen vieler Frauen war groß, denn schlechte Erfahrungen mit ähnlichen Projekten in der Vergangenheit gab es durchaus. Darum floss das Geld auch nicht über USOFORAL, sondern die Frauen bezahlten selbst die Bauarbeiten nach ihrem Fortschritt. Und sie steuerten die eigene Arbeitsleistung bei. Sie brachten das Wasser und den Sand zum Bau, brachten die Bauarbeiter unter und versorgten sie mit Essen.

Schon zuvor hatte USOFORAL mit den Frauen darüber diskutiert, wie die Mühle gemanagt werden könne und was zu einer guten Selbstverwaltung gehört. Sie luden eine Gruppe von Frauen aus einem anderen Landkreis ein, von deren Erfahrungen mit der Verwaltung einer Hirsemühle zu erzählen. So ein Austausch untereinander ist oft wirkungsvoller als eine professionelle Beratung. Trotzdem, ganz ohne geht es auch nicht. Mitarbeiterinnen von USOFORAL boten eine gezielte Schulung zur Vermittlung von Grundkenntnissen in Finanzverwaltung an. USOFORAL-Mitarbeiter Mamina Mane besucht die Frauengruppen regelmäßig, um die Umsetzung zu begleiten und als Ansprechpartner bei Problemen zur Verfügung zu stehen.

Die Frauen von Baghagha hielten schließlich für sich fest: Pro Kilo gemahlene Hirse sind 50 Francs CFA zu bezahlen. Alle Einnahmen werden in einem Heft aufgezeichnet, das im wöchentlichen Wechsel drei Frauen aus einem anderen Viertel unter Kontrolle haben. Am Ende des Monats wird allen Bericht erstattet über Einnahmen und Ausgaben. Dabei werden vier Kategorien unterschieden: Das Geld für die Bezahlung des »Müllers«, Rücklagen für Reparaturen und für laufende Kosten wie Strom und Schmieröl, und zuallerletzt die Überschüsse, von denen noch ein Betrag für die Amortisation abgezogen wird. Mit den Überschüssen werden die Frauen weitere Projekte umsetzen, die allen zugute kommen. Eine Präsidentin, ihre Stellvertreterin, eine Sekretärin und eine Kassenwartin führen zur Kontrolle eigene Bücher.

Über das Verwaltungs- und Finanztechnische hinaus nutzt USOFORAL die Gelegenheit, mit den Frauen über Methoden der zivilen Konfliktbearbeitung zu diskutieren. Wie handhaben die Frauen Konflikte, die durch die Hirsemühle möglicherweise entstehen? Wie kann die Methode der Mediation dazu beitragen, Missverständnisse frühzeitig auszuräumen, unterschiedliche Interessen in Einklang zu bringen und von den Beteiligten selbst entwickelte Lösungen zu finden? Über solche Möglichkeiten diskutieren die Mitarbeiter von USOFORAL mit den Landfrauen in Trainings, die speziell zur Konfliktbearbeitung entwickelt wurden, aber auf den jeweiligen Kontext angepasst werden. Anhand von Bildern und Übungen werden Konfliktlösungsstrategien diskutiert. Nach Ansicht der Frauen von Baghagha haben ihnen besonders die Methoden der gewaltfreien Kommunikation geholfen: Die Beachtung der einfachen Regel »Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus« hilft, Situationen zu entspannen. Darüber hinaus wird aber auch nach den tieferen Ursachen von Konflikten gefragt und nach Lösungen gesucht.

Manifest als Aufschrei der Bevölkerung

Ein Beispiel, wie USOFORAL diesen Ansatz auch auf anderen Ebenen verfolgt, ist ein in Zusammenarbeit mit anderen einheimischen Friedensorganisationen verfasstes Manifest als Aufschrei der Bevölkerung, die genug hat von der zerstörerischen Gewalt. Es wurde am 17. Dezember, der Öffentlichkeit vorgestellt.

Ein breites Bündnis von Organisationen fordert die in der Casamance kämpfenden Parteien auf, sich endlich an den Verhandlungstisch zu begeben. Das Manifest macht deutlich, dass ein neuerliches Aufflammen von Gewalt niemandem Vorteile bringt. Es unterstreicht auch die Tatsache des toleranten Miteinanders von Religionen und Ethnien in der Casamance als ein lebendiges Gegenbeispiel zur verbreiteten Vorstellung, Konflikte in Afrika hätten generell ethnische oder religiöse Ursprünge. Die Konfliktparteien werden aufgefordert, mit Respekt aufeinander zuzugehen und gewaltfreie Kommunikation zur Grundlage der Verhandlungen zu machen. Anhaltende Gewalt verhindert unter anderem, dass Touristen die grüne Region besuchen, unter den gegenwärtigen Bedingungen kann niemand vom natürlichen Reichtum der Casamance profitieren. Wir müssen den Teufelskreis der Gewalt durchbrechen, weil Gewalt immer nur neue Gewalt erzeugt, sagen (nicht nur) die Frauen in der Casamance.

Das Beispiel Baghagha zeigt, dass friedensfördernde Maßnahmen von sozialen und ökonomischen Hilfestellungen begleitet sein müssen, wie etwa dem Bau einer Hirsemühle. Erst wenn diese Aspekte miteinander verbunden werden, können sich Frieden und Entwicklung gegenseitig fördern.

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