Letzte Hoffnung Klebestreifen?
Seit 1. Januar Probleme mit Millionen EC- und Kreditkarten / Banken wollen Austausch vermeiden
Es ist eine unangenehme Vorstellung, an der Kasse zu stehen und nicht bezahlen zu können. Seit dem Jahresanfang haben viele Menschen dieses Gefühl kennenlernen müssen – ihre EC- oder Kreditkarte funktionierte nicht. Auch wer am Automaten Bargeld abheben wollte, bekam vielfach nur eine Fehlermeldung angezeigt.
Das Software-Chaos, das viele Experten zum Jahreswechsel 1999/2000 erwartet hatten, ist zum 1. Januar 2010 – in kleinerem Umfang – tatsächlich eingetreten: Einige Millionen Geldkartenchips können die Jahreszahl nicht richtig verarbeiten und machen damit den Gebrauch des Plastikgeldes praktisch unmöglich.
Laut den deutschen Sparkassen- und Bankenverbänden sind insgesamt 30 Millionen Kredit- und EC-Karten betroffen, die vor dem 1. März 2009 beziehungsweise dem 1. Juli 2009 ausgegeben wurden. Am Dienstag räumte der französische Technologiekonzern Gemalto ein, fehlerhafte Karten ausgeliefert zu haben. Seit man am Sonntag über die Probleme informiert worden sei, arbeite man mit den Banken an einer Lösung. Es seien ausschließlich Karten in Deutschland betroffen, so das Unternehmen, das auch SIM-Karten für Handys und elektronische Pässe herstellt.
Gemalto und die Banken wollen einen Kartenaustausch möglichst vermeiden, denn der könnte teuer werden: Laut Schätzungen des »Handelsblattes« bis zu 250 000 Euro. Ob Gemalto in diesem Fall Schadenersatz zahlen müsste, ist bislang offen.
Die Geldinstitute arbeiten derweil fieberhaft an der Umprogrammierung von Geldautomaten. Die Sparkasse hat nach eigenen Angaben über 27 500 Terminals repariert. Bezahlen soll ab heute wieder mit dem größten Teil der vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband herausgegebenen Karten möglich sein. Der Zentrale Kreditausschuss der Banken (ZKA) gab bekannt, dass bis Montag alle Bezahlterminals neue Software bekommen würden.
Besonders hart traf es Urlauber, die zum Jahreswechsel im Ausland weilten. Auch dort funktionieren die Chips nicht, so dass Deutsche beispielsweise Hotelrechnungen nicht bezahlen konnten. Verbraucherschützer raten deshalb, genügend Bargeld mitzunehmen oder auf Reiseschecks auszuweichen. Im Notfall könne man mit Kreditkarte und Unterschrift Geld am Schalter abheben. Entstehende Kosten solle man bei seiner Bank zur Erstattung einreichen.
Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) hatte ebenfalls ein Entgegenkommen der Banken gefordert: »Wenn Kunden jetzt gezwungen sind, am Bankschalter Bargeld zu holen, dürfen dafür keine Gebühren berechnet werden«, sagte sie dem »Tagesspiegel«. Das ZKA teilte mit, die Branche werde sich kulant zeigen.
Im Gegensatz zum Kreditkartenskandal im November 2009, in dessen Verlauf hunderttausende Karten wegen eines Datenklaus ausgetauscht werden mussten, soll die Sicherheit diesmal nicht beeinträchtigt sein. Dennoch erwarten Verbraucherschützer, dass Kunden beim Bezahlen künftig wieder öfter zu Münzen und Scheinen greifen. »Bargeld wird jetzt wichtiger werden«, so der Experte für Finanzdienstleistungen beim Verbraucherzentrale Bundesverband, Manfred Westphal, am Mittwoch.
Kartennutzer, die das Plastikgeld noch nicht aufgeben wollen, haben das Problem inzwischen selbst in die Hand genommen: Wie sie in Internetforen berichteten, überklebten sie den Chip mit Klebeband. Wenn Lesegeräte den Chip nicht mehr »sähen«, holten sie sich die Daten vom Magnetstreifen. Der ZKA warnte aber vor solchen Manipulationen – Karten und Lesegeräte könnten beschädigt werden.
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