Den Zugang nach Gaza erkämpft

In Ägypten stand allein die Opposition dem Solidaritätskonvoi freundlich gegenüber

  • Elsa Rassbach
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Viva Palästina Konvoi ist durch. Die Teilnehmer am Gaza Freedom March (GFM), der 1360 Menschen aus 42 Ländern nach Kairo brachte, in der Hoffnung nach Gaza fahren zu können, sind auf dem Weg nach Hause. Aber die Ereignisse der letzen Woche werden vermutlich lange in der ägyptischen Gesellschaft weiter wirken.

Nachdem die ägyptische Regierung dem Konvoi den Grenzübertritt nach Gaza zunächst verboten hatte, entschlossen sich am 31. Dezember etwa 1000 Teilnehmer vom Gaza Freedom March (GFM) zu einer fünfstündigen nicht genehmigten Demonstration in der Nähe des Ägyptischen Museums. Am Neujahrstag gab es eine weitere Protestversammlung vor der israelischen Botschaft. Beides war genau genommen illegal, weil laut einem Gesetz von 1914 eigentlich Streiks ebenso wie jede öffentliche Zusammenkunft von mehr als fünf Personen verboten sind.

»Die Internationalen, die mit GFM nach Kairo kamen, haben uns gezeigt, wie demonstriert werden kann«, sagt Osama al-Ghazali Harb, ehemals Mitglied der Nationalen Demokratischen Partei und 2007 Mitbegründer der Demokratischen Front Partei (DFP). »Noch nie zuvor gab es eine Demonstration vor der israelischen Botschaft in Kairo«, betont Niwin Samir, Direktorin der jährlichen Kairo-Konferenz, die islamische Bewegungen und arabische mit europäischen Linken vernetzt.

Die ägyptische Regierung hatte den GFM-Organisatoren verboten, mit oppositionellen Ägyptern Kontakt aufzunehmen. Wer trotzdem versuchte, an den Demonstrationen der Internationalen teilzunehmen, wurde durch die Polizei weggejagt oder verhaftet. Dennoch kam es in den acht Tagen zu mehr und mehr Kontakten zwischen GFM-Teilnehmern und ägyptische Oppositionellen. Ein Veranstaltungsort für eine Pressekonferenz der deutschen GFM-Delegation fand sich schließlich im Hauptquartier der DFP in Kairo. Die GFM rief von dort aus zur Solidarität mit einer ägyptischen Kundgebung auf. Deren Teilnehmer demonstrierten gegen die Mauer, die Ägypten an seiner Grenze zu Gaza bauen will, um den nicht genehmigten Transport von Gütern über Tunnel in den Streifen zu verhindern.

»Es gibt da einen Deal zwischen Präsident Hosni Mubarak und Israel«, erklärte uns Ahmed Salah, Mitbegründer der Bewegung 6. April, einer Initiative von inzwischen 73 000 jungen islamischen und christlichen Ägyptern, die sich 2008 über Facebook organisierten, um streikende Textilarbeiter zu unterstützen. »Mubarak unterstützt die Blockade von Gaza; dafür äußern sich die EU, Israel und die USA nicht zu den Demokratiedefiziten in Ägypten. Seit 30 Jahren stehen wir nun schon unter Ausnahmezustand. Von freien Wahlen konnte da keine Rede sein. Wir hoffen, dass es bei der nächsten Wahl 2011 anders sein wird. Dabei zählen wir auf internationale Unterstützung.«

Das ägyptische System sei »autoritär, aber es ist ein ›weicher Autoritarismus‹, weil es eine begrenzte Pressefreiheit gibt. Die meisten Medien unterstehen jedoch der Regierung. Ohnehin lesen nur zehn Prozent der Ägypter Zeitungen«, sagt DFP-Mann Harb.

Direktorin Samir ist weniger zuversichtlich: »Die staatstreuen Medien haben einen Teil der Ägypter sogar davon überzeugt, dass die Palästinenser angeblich Sinai okkupieren wollen. Die meisten Zeitungen kritisierten GFM. Aber es gab auch kleine Zeichen der Unterstützung.«

Salah fügt hinzu, die meisten Medien hätten die Ausländer von GFM als Agenten von Hamas und Hisbollah beschrieben. Jedoch glaubten viele Ägypter dies nicht, denn sie haben auch Zugang zu anderen Quellen wie Satellitenfernsehen oder das Internet.

Seit der Machtübernahme durch Mubarak 1981 gibt es nicht nur Restriktionen gegen Medien. Auch Blogger und andere Internetnutzer wurden schon verhaftet. Laut dem »Arabischen Netzwerk für Menschenrechtsinformation« war 2008 »das schlimmste Jahr für die Bedrohung der Meinungsfreiheit seit 1952«, dem Jahr der Gründung der Republik Ägypten.

»Die ägyptische Regierung will nicht, dass Ägypter für die Rechte der Palästinenser demonstrieren, weil sie dann morgen für die eigene Rechte demonstrieren werden«, sagt Harb. »Wir begrüßen deshalb ausländische Gäste, die nach Kairo kommen, um dem Demokratisierungsprozess auf friedliche Weise zu helfen.«

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