»Umverteilung ist das Gebot der Stunde«

Österreich: SPÖ soll linke Plattform bekommen

  • Lesedauer: 4 Min.
Der 31 Jahre alte Rudolf Fußi hat eine bewegte politische Karriere hinter sich. Aus einem steirischen Bergarbeiterhaushalt stammend, hat er erstmals im Jahr 2002 österreichweit auf sich aufmerksam gemacht: Es war ihm zusammen mit einigen Mitstreitern gelungen, rund 600 000 Unterschriften gegen die Anschaffung von EADS-Abfangjägern für das Bundesheer zu sammeln. Kurz darauf trat er in die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) ein, der er nun mit teilweise prominenter Unterstützung eine Linkswende verpassen will. Hannes Hofbauer führte mit ihm für ND das folgende Gespräch.
Rudolf Fußi
Rudolf Fußi

ND: Wie soll sich eine linke Plattform in der SPÖ inhaltlich positionieren?
Fußi: Wir wollen eine Rückkehr der Sozialdemokratie zu alten linken Werten. Wir glauben, dass durch die Wirtschaftskrise die Chance so groß wie noch nie ist, antikapitalistische Politik zu machen, das heißt konkret, das Thema Verteilungsgerechtigkeit in den Mittelpunkt der Agenda zu stellen. Beflügelt wird der Versuch dadurch, dass die SPÖ in den vergangenen 20, 30 Jahren als Steigbügelhalter der ÖVP fungiert hat und inhaltlich nicht als eigenständige Partei auszumachen ist. Der Grund, warum jemand Sozialdemokratie wählen sollte, erschließt sich dem Wähler nicht mehr.

Über welche thematischen Schwerpunkte sollen diese alten linken Werte in die Debatte einfließen?
Das sind Themen wie Antirassismus, Verteilungsgerechtigkeit, Verstaatlichung des Bankensektors ... alles Dinge, zu denen wir stehen.

Das klingt nach langem Atem.
Freilich geht das nicht von heute auf morgen. Aber die Menschen sind aktuell hoch sensibilisiert für eine solche Politik. Und politischer Wandel bedarf einer Bewusstseinsänderung, genau daran arbeiten wir. Wir haben uns zwei, drei Jahre Zeit genommen, um den linken Flügel zu organisieren. Die Regierung wird uns demnächst erklären müssen, wie man die gewaltige Verschuldung, die durch die Bankenhilfspakete entstanden ist, finanzieren will. Wir lehnen eine Finanzierung der Krise durch jene ab, die sie nicht verursacht haben. Das heißt auch, dass wir jede Erhöhung von Massensteuern vehement ablehnen. Stattdessen wollen wir diejenigen zur Kasse bitten, die jahrzehntelang sehr gut vom kapitalistischen System gelebt haben.

Also die wirtschaftliche Krise als politische Chance nutzen.
Absolut.

An welchem Punkt hat die Sozialdemokratie ihrer Meinung nach inhaltlich abgewirtschaftet?
Toni Blair war die Wurzel allen Übels. Und Gerhard Schröder hat diesen Weg übernommen, indem völlig vergessen wurde, dass die Sozialdemokratie sich nicht um die Probleme der Industrie und der Großbanken zu kümmern hat, sondern um jene der Arbeiter und Arbeiterinnen, die unsere Solidarität brauchen.

Was verstehen Sie unter »Arbeiter«, den gibt es angeblich doch kaum mehr.
Unser Begriff der Arbeiterklasse unterscheidet sich natürlich von jenem, der zu Marx' Zeiten gebraucht wurde. Heute inkludieren wir darunter auch die ganzen Ich-AG's, alleinerziehende Mütter, kleine Bauern, Angestellte, Kleinunternehmer ... Also alle, die nicht in der Lage sind, ihr tägliches Auskommen aus Kapitaleinkommen zu finanzieren.

Und was bieten Sie denen an?
Zum Beispiel steuerpolitisch eine völlige Umorientierung. Wir brauchen eine Wiedereinführung der Vermögensteuer, sowohl die Substanz als auch der Vermögenszuwachs müssen besteuert werden. Dazu fordern wir eine Solidarabgabe der Superreichen sowie eine Besteuerung von Gewinnen aus Finanztransaktionen. In Österreich gibt es eine Million Menschen, die in Armut leben, umgekehrt besitzt ein Prozent der Österreicher 33 Prozent des Vermögens. Umverteilung ist also das Gebot der Stunde.

Sie bekennen sich zum Abbruch der Koalition mit der ÖVP. Wie stellen Sie sich die Umsetzung Ihrer Politik strategisch vor?
Das wichtigste strategische Ziel ist die Organisierung der Linken innerhalb der SPÖ. Klar ist auch, dass eine inhaltliche Neuaufstellung nur in der Opposition funktionieren kann.

Ist die Formierung eines Flügels innerhalb der SPÖ überhaupt statutarisch zulässig?
Im Unterschied zu Deutschland ist in Österreich eine Fraktionierung nicht vorgesehen, im Gegenteil: Es gibt ein Fraktionsverbot in der SPÖ. Aber wir müssen die Linke organisatorisch stärken, sonst kommt es dazu, dass Linke eine Linkspartei außerhalb der SPÖ gründen. Das kann nicht unser Ziel sein. Wir sorgen uns um den Zustand der SPÖ.

Mit dem Hinweis auf ein Fraktionierungsverbot kann es leicht passieren, dass Sie und Ihre Leute bald aus der Partei hinausfliegen.
Auf den Moment warte ich, dass ich aus der Partei ausgeschlossen werde, weil ich mich um deren Zukunft sorge. Das wäre doch vollkommen absurd.

Ihr Plan ist, sich Anfang März 2010 offiziell in Linz zu konstituieren. Wer wird dabei mitmachen?
Es gibt genügend Sympathisanten, die sich bereits geoutet haben. Dazu zählen neben dem früheren Sozialminister Erwin Buchinger Abgeordnete aus den Ländern und dem Bund sowie eine Reihe von bekannten Persönlichkeiten. Wir wollen eigene Gruppen in allen Bundesländern aufbauen, um die für einen Kurswechsel notwendige Bewusstseinsänderung voranzutreiben. Alles läuft darauf hinaus, dass wir an dem Tag, an dem sich ÖVP- und SPÖ-Führer hinstellen und verkünden, die Massensteuern erhöhen zu wollen, so stark sind, um innerhalb von Stunden Demonstrationen organisieren zu können und die Kraft haben, Sonderparteitage abzuhalten. Ich bin überzeugt, dass wir die Partei innerhalb von ein paar Jahren dorthin rücken können, wohin sie gehört, nach links.

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