Streichliste nur ein Phantom?

Zahlreiche Schienenbauprojekte stehen offenbar bis auf Weiteres unter Finanzierungsvorbehalt

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Bahn und das Bundesverkehrsministerium dementieren es – doch soll eine Streichliste für größere Eisenbahn-Infrastrukturprojekte in Deutschland existieren, die bis 2025 nicht finanzierbar seien.

Die Y-Trasse hat ihren Namen von der Landkarte: Wie ein Y sieht die schnelle Schienenstrecke zwischen Hannover, Hamburg und Bremen aus – in den Planungen zumindest. Bei Hannover soll die Strecke beginnen und bis Lauenbrück reichen; nach etwa zwei Dritteln soll eine Abzweigung Richtung Bremen angelegt werden. Bereits in den 1990er Jahren begannen die Planungen – doch nun herrscht Verunsicherung.

Schon im November 2009 hatte es Irritationen gegeben: Damals hatte das Bundesfinanzministerium angekündigt, anfallende Planungskosten in Höhe von 20 Millionen Euro nicht tragen zu wollen. Bund und Bahn sollten sich an der Planung mit je 20 Millionen beteiligen, Niedersachsen mit 15 Millionen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte damals

angekündigt, erst nach Fertigstellung zahlen zu wollen – was dem üblichen Verfahren widerspricht. Im Dezember musste Berlin nun einen Rückzieher machen.

Am Wochenende wuchs sich die Irritation zur Aufregung aus: Die »Neue Presse« in Hannover zitierte ein »Geheimpapier« der Bahn, aus dem ein Stopp für die Y-Trasse hervorging – wie auch für zahlreiche weitere Großprojekte. Genannt werden zwölf Vorhaben, darunter auch die Schienenanbindung der Fehmarnbelt-Brücke und der Ausbau des Güterbahnhofs Lehrte. In Bayern soll es um eine Ausbaustrecke zwischen München und Freilassing gehen, im Südwesten um die Verbindung Ulm-Friedrichshafen. All das soll bis 2025 kaum finanzierbar sein. Ex-Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) habe unerfüllbare Versprechen gemacht.

Am Montag dann das Dementi: Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) ließ erklären, es gebe keine Streichliste, es werde nur eine neue bedarfsgerechte Planung angefertigt. Das Bündnis »Allianz pro Schiene« hingegen hält das für Augenwischerei: Sogar Vorhaben, die als »laufende Projekte« gelten, seien tatsächlich nicht finanziert.

Was die Y-Trasse angeht, gibt die Stadt Hannover nun Entwarnung: Planung und Bau seien gesichert, so das Landesverkehrsministerium am Montag unter Berufung auf die »höchste politische Ebene«. Nicht alle in Hannover wird das freuen, wenn es denn stimmt. Grüne und Linksfraktion im Landtag lehnen die Y-Trasse ab. Ursula Weisser-Roelle etwa, die Verkehrsexpertin der Linkspartei, hält die Trasse für »so überflüssig wie einen Kropf«.

Die Linksfraktion hatte im Frühjahr einen alternativen Plan erarbeitet, der in kleineren Dimensionen denkt – er sieht etwa einen Ausbau der Schienen zwischen Stelle und Lüneburg sowie Rotenburg/Wümme und Verden/Aller vor. Auch die Grünen sind gegen die Trasse. Die Planungen stammten aus den 1990er Jahren, seien »überholt« und könnten das erwartete Wachstum im Schienengüterverkehr nicht bewältigen, meint etwa der Abgeordnete Enno Hagenah. Auch der »Verkehrsclub Deutschland« hält die Y-Trasse für verfehlt.

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