Mainzer Affären im Vorwahlkampf
Machtgerangel in der CDU, Unmut in der SPD
Die CDU-Opposition in Rheinland-Pfalz gerät immer mehr in Bedrängnis. Noch unlängst hatte ihr die Nominierung von Julia Klöckner, Staatssekretärin im Bundesverbraucherministerium, als CDU-Herausforderin von SPD-Ministerpräsident Kurt Beck einen gewissen Aufwind verschafft. Nun jedoch überstürzen sich die politischen Affären und Skandale bei der Mainzer Union. Die Autorität von CDU-Chef Christian Baldauf wird auf eine harte Probe gestellt.
Politisch am schwersten wiegt die Auseinandersetzung um den CDU-Abgeordneten Michael Billen, der zwar nicht aus der Fraktion ausgeschlossen wurde, aber dessen Fraktionsmitgliedschaft inzwischen ruht. Billen hatte sich in der sogenannten Nürburgring-Affäre mit Hilfe seiner Tochter illegal im Polizeilichen Informationssystem (Polis) Unterlagen über Geschäftspartner der Nürburgring GmbH besorgt. Gegen den Abgeordneten aus Trier ermittelt die Staatsanwaltschaft Landau.
Forderungen, sein Landtagsmandat niederzulegen, kam Billen nicht nach. In einer Krisensitzung der CDU-Fraktion war im Beisein Billens vereinbart worden, dass dieser sich künftig nicht mehr an der aktiven Arbeit beteiligt. Kurz darauf betonte Billen in einem Interview jedoch, er werde seine Arbeit »ohne jede Einschränkung« fortsetzen. Baldauf, der bislang einen »langen und schwierigen« Rechtsstreit mit Billen wegen eines formellen Ausschlusses vermeiden wollte, sieht sich provoziert.
Ein Besuch im Nachtklub
Die SPD-Fraktion drängt zudem darauf, dass Billen umgehend vom Vorsitz des Wirtschaftsausschusses zurücktritt, den er nach wie vor inne hat; viel Zeit bleibt ihm dafür nicht mehr, die nächste Sitzung des Ausschusses ist für diese Woche anberaumt. Wenn die CDU-Fraktion bis zu dieser Sitzung nicht gehandelt habe, werde die SPD Billen abwählen, kündigten die Sozialdemokraten an. Der andauernde Machtkampf innerhalb der CDU-Fraktion dürfe nicht dazu führen, dass das Ansehen des Parlaments insgesamt beschädigt werde.
Unterdessen hat die Mainzer Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen einen weiteren früheren CDU-Mann bestätigt. Es handelt sich dabei um den ehemaligen Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion und Ex-CDU-Schatzmeister Herbert Jullien. Bei den Ermittlungen soll es um den einige Jahre zurückliegenden Besuch eines Berliner Nachtklubs gehen, wo eine hohe Summe auf Kosten des Steuerzahlers ausgegeben worden sei – angeblich mit der Kreditkarte der Fraktion. Wegen dieser Affäre wird auch gegen den früheren Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Markus Hebgen, ermittelt.
Jullien, gelernter Steuerberater, war 2009 wegen Untreue in seiner Funktion als Geschäftsführer der Tourismus GmbH in Bad Bertrich verurteilt worden. 2006 hatte der frühere Abgeordnete wegen Subventionsbetrugs und versuchter Steuerhinterziehung seine Ämter in Fraktion und Partei verloren.
Hier kommt wieder der Abgeordnete Michael Billen ins Spiel – er soll gesagt haben, er kenne die Abgeordneten, die mit Hebgen das Etablissement in Berlin aufgesucht haben. Auf eindringliche Befragung durch CDU-Chef Baldauf bekannte sich niemand zu dem heiklen Besuch.
Die SPD hat inzwischen angekündigt, sie wolle die dubiose Verwendung von Geldern der CDU-Fraktion im Landtag thematisieren. Auf Antrag der SPD soll sich am 28. Januar auch der Rechtsausschuss mit der Thematik beschäftigen.
Brief an die Regierung
Doch auch in der SPD von Rheinland-Pfalz gibt es Probleme. Erstmals regt sich an der Parteibasis offener Unmut wegen der Nürburgring-Affäre. Der Ortsverein der Partei in Adenau (Kreis Ahrweiler) hat sich in einem Brief bei der SPD-Landtagsfraktion und der Landesregierung über schlechtes Krisenmanagement beschwert.
Die Privatfinanzierung des neuen Freizeitparks an der Rennstrecke Nürburgring in der Eifel war im Sommer 2009 spektakulär gescheitert. Im Dezember teilte das Land Rheinland-Pfalz mit, dass es das Management des angeschlagenen Nürburgrings an die private Lindner Gruppe abgebe.
Auch Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) wird Medienberichten zufolge in dem Brief ausdrücklich angesprochen. »Für uns erscheint es unerträglich, dass niemand in der Landesregierung bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen«, wird aus dem Schreiben zitiert. »Wir erwarten keine Rücktritte. Wir erwarten eine Landesregierung, die Fehler sucht und beseitigt.« Dem Vorwurf, »bei Regierung und SPD werde desinformiert und verschleiert«, hätten die Parteivertreter in Adenau nichts entgegenzusetzen. »Wir erwarten lückenlose Information und Aufklärung«, schreiben die Autoren.
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