Rollender Protest

Korso-Teilnehmer fordern den Verzicht auf geplante Castor-Transporte im Münsterland

  • Michael Schulze von Glaßer
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Münsterland formiert sich Widerstand gegen die geplante Verlagerung des Atommülls von Jülich nach Ahaus. Am Wochenende fuhr ein mit Anti-Atom-Fahnen geschmückter Autokorso durch die Region. Bis zum Ablauf der Betriebsgenehmigung im Juni 2013 will das Forschungszentrum Jülich seinen Atommüll aus dem stillgelegten Versuchsreaktor nach Ahaus bringen. Das stark strahlende Material lagert in 152 Castoren in Jülich.

Rund 25 Autos brachen am Samstagmorgen vom münsterländischen Ahaus auf in Richtung Ruhrgebiet. Mit dem Autokorso unter dem Motto »Dem Castor entgegen« wollten die Atomkraftgegner gegen kommende Atommülltransporte ins Zwischenlager Ahaus protestieren: »Wir wollten unseren Protest vom Münsterland dorthin tragen, von wo der Atommüll nach Ahaus rollen soll«, erklärte Felix Ruwe von der Bürgerinitiative »Kein Atommüll in Ahaus«. Neben den mit Anti-Atom-Fahnen geschmückten Autos fuhr auch ein Modell-Castor mit.

In den nächsten Jahren soll eine unbekannte Menge schwach- und mittelradioaktiver Abfälle in Ahaus eingelagert werden. Ab 2011 ist geplant, 152 Castor-Behälter mit hoch radioaktiven Kugelbrennelementen aus dem Versuchsreaktor Jülich (AVR) nach Ahaus zu bringen. Ab zum Jahr 2015 sollen Behälter aus der Wiederaufbereitungsanlage La Hague in Frankreich folgen.

Direkt an der Kita vorbei

Hupend fuhr der Autokorso, von der Polizei begleitet, am Mittag durch Duisburg. Ziel war die Atommüll-Konditionierungsanlage der Gesellschaft für Nuklear-Service GmbH (GNS) in Duisburg-Wanheim. Dort wurden die Münsterländer von Umweltaktivisten aus dem Ruhrgebiet empfangen. Vor einem Eingangstor der Anlage forderten die rund 200 Anwesenden die Schließung der Anlage: »Atomanlagen haben in einem Wohngebiet nichts zu suchen, ein Kindergarten liegt direkt an der Bahnstrecke für die Atomtransporte«, so Wilfried Mohr vom Klimabündnis Niederrhein.

Der Kundgebung am Werktor folgte eine kurze Demonstration durch Wanheim. Eine Samba-Gruppe sorgte für gute Stimmung. Anschließend setzte sich der Autotross wieder in Bewegung – zusätzliche Autos aus dem Ruhrgebiet ließen den Korso auf rund 35 Fahrzeuge anwachsen.

Nach der Abfahrt von der Autobahn wurden die Atomkraftgegner von der Polizei auf den Jülicher Marktplatz geführt. Auch dort warteten schon einige Demonstranten auf den Tross. Der Ahauser Felix Ruwe forderte, den Atommüll so wenig zu transportieren wie möglich: »Jeder Transport bringt neue Gefahren.«

Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen machte vor den 150 Menschen auf dem Marktplatz darauf aufmerksam, dass der im Jahr 1988 nach vielen Pannen stillgelegte Hochtemperaturreaktor AVR noch immer als »Reaktorlinie der Zukunft« verkauft werden soll – beispielsweise nach China und Südafrika. Dabei sei der Reaktortyp unkontrollierbar: Im Jahr 1978 kam es im AVR zu einem schweren Unfall.

Uranspuren im Urin gefunden

»Nur dem Zufall ist es zu verdanken, dass es keine Katastrophe gab«, erklärte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer. Heute ist bekannt, wie verstrahlt der Reaktor tatsächlich ist. Selbst der Boden unter dem Hochtemperaturreaktor ist radioaktiv kontaminiert.

Vertreter vom Bund für Umwelt und Naturschutz und der Linkspartei forderten einen schnellen Ausstieg aus der Atomenergie. Nach der Kundgebung auf dem Marktplatz fuhren die Atomkraftgegner zum Haupttor des Forschungszentrums Jülich, wo sie zum Abschluss des Aktionstages abermals ihren Protest kundtaten.

Auch der Strahlenunfall in der Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau – unweit von Ahaus – war Thema beim »Autobahn-Aktionstag«. Mittlerweile wurden Spuren von Uran im Urin eines bei dem Unfall kontaminierten Mitarbeiters gefunden: »Wir fordern nun neben einer unabhängigen und öffentlichen Untersuchung des Zwischenfalls vor allem staatsanwaltschaftliche Ermittlungen«, erklärte Willi Hesters vom Aktionsbündnis Münsterland. Augenscheinlich sei der Arbeitsschutz in der Anlage mangelhaft.

Bereits am Freitagabend hatten rund 35 Menschen spontan vor der Urananreicherungsanlage demonstriert, am Samstag demonstrierte Greenpeace an der Atomanlage. Am Sonntag fand vor dem Gronauer Rathaus eine Mahnwache statt.

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