Banken & Sparkassen: Bleibt die Beratung auch in diesem Jahr so schlecht wie ihr Ruf?

Finanzen

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Banken berieten ihre Kunden in der Vergangenheit oft schlecht. Doch 2010 soll nun alles besser werden. Jedes Anlagegespräch muss von den Banken künftig ausführlich aufgezeichnet werden. Und nach Erhalt des Protokolls hat der Kunde sieben Tage Zeit, um noch vom Geschäft zurückzutreten.

»Das neue Jahr wird große Veränderungen in der Finanzdienstleistung und in ihrer Beaufsichtigung einleiten«, prognostiziert Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Dafür gibt es auch allen Grund. Selbst über ein Jahr nach der Lehman-Pleite beraten Banken ihre Kunden weiter häufig schlecht. »Die Banken haben sich blamiert«, kommentiert Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur von »Finanztest«, einen Test seiner Zeitschrift unter 21 großen Instituten. Zahlreiche Berater hätten gesetzliche Vorschriften nicht eingehalten, den Kunden riskante Zertifikate und Fonds empfohlen oder sogar hauptsächlich die eigene Provision im Blick gehabt. Beispielsweise hätten viele Berater der Volksbanken den Testern Zertifikate empfohlen: »Es waren zwar nicht mehr die von Lehman, aber andere, die mindestens so kompliziert sind, wenn nicht gar riskant.«

Ehrlichkeit in der Branche eine Seltenheit

»Finanztest« steht keineswegs allein dar mit seiner negativen Wertung. Die Verbraucherzentralen hatten 2009 Tester in die Banken geschickt – und eklatante Fehler festgestellt. Die bestehenden gesetzlichen Informationspflichten wurden missachtet, und die Mehrzahl der Beratungen scheiterte bereits im Ansatz. Auch bankintern wurde Kritik an der gängigen Beratungspraxis laut. Herbert Walter, ex-Vorstand der Dresdner Bank, fordert mehr Ehrlichkeit in der Beratung. Ehrlichkeit sei in seiner Branche leider eine Seltenheit, bedauerte Walter.

Doch auch bei der Konkurrenz der Banken, den freien Vertrieben und Versicherungen, geht es nicht durchweg verbraucherfreundlicher zu. Fernsehreporter des ZDF testeten freie Vertriebe, sogenannte Strukturvertriebe. Das Ergebnis: Ausschließlich überteuerte Produkte wurden verkauft, der Bedarf des Anlegers blieb außen vor und selbst auf mehrmalige Nachfrage wagte kein Berater, die Kosten seiner Angebote zu nennen. Man spricht nicht gerne über die (hohen) Provisionen in der Finanzbranche. In der Wochenzeitung »Die Zeit« war der Erfahrungsbericht eines Journalisten zu lesen, der verdeckt beim Finanzvertrieb AWD angeheuert hat. Sein Schlusswort: »Der Erfolg meiner Arbeit bei AWD wird nicht daran gemessen, wie gut ich jemanden berate, sondern daran, wie viel Geld er am Ende für Produkte ausgibt.«

Und auch bei Versicherungsgesellschaften steht der Profit im Vordergrund. Eigentlich selbstverständlich, doch viele Sparer, Anleger und Versicherte vergessen dies bei den Verkaufsgesprächen mit den geschulten Beratern der Finanzbranche. Reporter der ARD-Ratgebersendung »Geld« testeten Versicherungsvermittler. Sie wollen wissen, was die Vermittlerrichtlinie, die seit Mai 2007 in Kraft ist, für die Kunden gebracht hat. Fazit: »Wir haben heiteres Tarife-Raten erlebt, bei dem der Kunde ganz klar der Dumme ist.« Wenn überhaupt Bedarfsanalysen durchgeführt worden seien, dann waren sie fehlerhaft. Im Ergebnis seien falsche, teilweise unsinnige Produkte empfohlen worden. Und das erkläre wohl auch, dass unterm Strich keiner der Versicherungsvermittler das gesetzlich geforderte Protokoll geführt habe.

Schuld an der Falschberatung ist nicht allein die Gier der Berater. Schuld an der schwachen bis mangelhaften Beratung sind oft die knallharten Vorgaben durch die Geschäftsleitungen von Banken und Versicherungen. Auch Berater sind häufig unzufrieden mit der Situation, wollen beraten statt verkaufen. Doch was ist eine gute Beratung?

Eine gute Beratung muss die Bedürfnisse des Sparers und Anlegers berücksichtigen und muss die empfohlenen Produkte gründlich und verständlich beschreiben. Sie muss »anlegergerecht« sein und »anlagegerecht«, urteilen die Richter des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe. Die Vorgaben stehen im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und in der deutschen Umsetzung der EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid.

Beratung schlechter, als es das Gesetz erlaubt

Im jüngsten Banken-Test der Zeitschrift »Finanztest« erreichte nicht ein einziges Institut die Note »gut«. Noch am besten schnitten laut Stiftung Warentest mit einem knappen »befriedigend« die Commerzbank, die Kreissparkasse Köln und die Berliner Sparkasse ab. »Mangelhaft« sei die Anlageberatung der BW Bank und der Ostsächsischen Sparkasse gewesen. Die übrigen Banken seien mit »ausreichend« bewertet worden. »Dabei haben wir exakt nach dem Thema gefragt, dass das Denken der Kunden seit der Finanzkrise beherrscht«, so Chefredakteur Tenhagen. Die Tester hätten bei den Beratungsgesprächen angegeben, 30.000 Euro auf fünf Jahre bei einer Rendite von vier Prozent sicher anlegen zu wollen. Die eingebaute »Hürde« für die Berater habe darin bestanden, dass es zur Zeit der Tests für eine sichere Geldanlage über fünf Jahre keine vier Prozent Rendite gegeben habe. Das hätten die Banker erkennen und den Kunden fragen sollen, ob ihm die Rendite oder die Sicherheit wichtiger sei. Ein Drittel war nicht in der Lage, den Kunden die simple Weisheit zu vermitteln, dass mehr Rendite auch mehr Risiko bedeutet und dass der Wunsch, vier Prozent Rendite zu erhalten, zurzeit unrealistisch ist.

Empfehlungen der Berater passen allenfalls zufällig

Zwei Drittel der Berater hätten nicht einmal die gesetzlich vorgeschriebene Frage nach den Einkommensverhältnissen des potenziellen Kunden gestellt. Wer seine Kunden so wenig kenne, könne nicht anlegergerecht beraten, warnt Tenhagen. Die Empfehlungen der Banker »können allenfalls zufällig passen«.

Als weiteres Negativbeispiel führten die Tester die Beratung der Ostsächsischen Sparkasse an. Deren Banker hätten vor allen »an den eigenen Vorteil gedacht«, als sie versucht hätten, den Testkunden private Rentenversicherungen zu verkaufen. Diese würden für fünf Jahre zwar viel Provision für den Berater, aber wenig Rendite für den Kunden bringen.

Insgesamt ist es verwunderlich, wie Banken mit gesetzlichen Vorschriften umgehen. Finanzexperte Kühnlenz hält daher nicht nur klarere gesetzliche Rahmenbedingungen bei der Anlageberatung für notwendig. Sondern die Testergebnisse hätten auch gezeigt, dass die Einhaltung bestehender Gesetze besser kontrolliert werde müsse.

Auch wenn Gesetze in der Praxis ignoriert wurden, reagierte die Bundesregierung mit einer weiteren gesetzlichen Regelung. Weil nach der Lehman-Insolvenz haarsträubende Fälle von Falschberatung durch Bankberater bekannt geworden waren, schaffte der Gesetzgeber mit Beginn des neuen Jahres im Wertpapierhandelsgesetz neue Regeln für die Bankberatung:

Die Verjährungsfrist für Falschberatung wurde von drei auf zehn Jahre verlängert, Bankberater müssen ein umfangreiches Beratungsprotokoll anfertigen und Kunden haben nun das Recht, sieben Tage lang vom Wertpapiergeschäft zurückzutreten.

Solche Vorgaben erhöhen jedoch für Banken die Risiken und die Kosten. »Viele Banken haben Initiativen gestartet, um die Risiken für sich klein zu halten und die Kosten wieder hereinzuholen«, sagte Christian Leurs von der auf Finanzdienstleister spezialisierten Unternehmensberatung Eurogroup Consulting. Das betrifft zunächst das Geschäft mit vermögenden Privatkunden. »Die Telefonberatung vermögender Privatkunden vor dem Handel mit risikoreichen Wertpapieren wie Devisentermingeschäften wird es so wie bisher von den Banken nicht mehr geben«, prognostiziert Leurs. Je nach Bank werden bisher 30 bis 70 Prozent aller Wertpapiertransaktionen nach dem Telefonanruf der Kunden unmittelbar ausgeführt.

Telefongeschäfte – und das betrifft auch die Masse der »nichtvermögenden« Bankkunden – werden jedoch auch künftig möglich bleiben. Dazu muss der Kunde nur ausdrücklich auf Beratung und auf das neue Protokoll des Gesprächs verzichten.

Zu einem solchen Generalverzicht dürften viele Berater ihre Kunden drängen wollen. Denn wenn der Kunde nicht auf eine individuelle Beratung verzichtet, trägt der Bankberater bzw. die Bank das Risiko, dass der Kunde von seinem neuen Recht Gebrauch macht und nach Erhalt des Beratungsprotokolls sieben Tage später vom Kauf wieder zurücktritt. Das kann beispielsweise auch dann passieren, wenn sich der Wert des gekauften Wertpapiers in diesen sieben Tagen nicht zu seinem Vorteil entwickelt hat.

Misstrauen aufgeklärter Kunden weiterhin groß

Dieses Risiko zu tragen gilt in den Banken als zu heikel. Deshalb suchen die Banken nach Möglichkeiten, um die Kunden anders als bisher zu betreuen. So versuchen Banken und Sparkassen, von Anlegern das pauschale Mandat zur Vermögensverwaltung zu bekommen. Dann ist keine Beratung vor dem Kauf nötig, kein Beratungsprotokoll muss angefertigt werden und der Kunde hat kein Rücktrittsrecht.

Ob sich allerdings viele Kunden darauf einlassen, ist fraglich. Schließlich ist das Misstrauen unter aufgeklärten Kunden groß, dass der Bankberater zur Maximierung von Gebühren vor allem hohe Umsätze mit dem Depot durch den Verkauf vorzugsweise von hauseigenen Produkten im Sinn hat.

»Kaufen Sie nur, was Sie verstehen«

Für das Massengeschäft dürften von den Banken künftig verstärkt genormte Beratungszentren in den Filialen eingerichtet werden. Dort wird den Kunden dann eine Auswahl des Bankhauses aus vermutlich eher risikoloseren Wertpapieren empfohlen und nach dem Beratungsgespräch sogleich ein standardisiertes Beratungsprotokoll ausgehändigt, schildert Leurs die sich abzeichnende Praxis. Die Kosten und das Risiko, dass der Kunde noch vom Geschäft zurücktritt, werden von der Bank auf diese Weise gesenkt.

Ein Muster des neuen Beratungsprotokolls schreibt das Wertpapierhandelsgesetz nicht vor. Das Protokoll muss aber anders als bisher »vollständige Angaben« enthalten über Anlass und Dauer der Anlageberatung, die persönliche Situation des Kunden sowie über die im Anlagegespräch erwähnten Finanzinstrumente und Wertpapierdienstleistungen. Ferner müssen die vom Kunden genannten wesentlichen Anliegen und deren Gewichtung sowie die im Verlauf der Beratung erteilten Empfehlungen und die dafür maßgeblichen Gründe dokumentiert werden.

Wird die neue Rechtslage Sparern und Anlegern wirklich zu besseren Finanzprodukten verhelfen? Niels Nauhauser bleibt skeptisch. »Die Dokumentationspflicht wird weder die Beratung verbessern noch die Anlegerrechte stärken.« Den Beweis dafür, so der Verbraucherschützer, werde man antreten. Den Verbrauchern rät Nauhauser: »Kaufen Sie nur, was Sie verstehen!«

HERMANNUS PFEIFFER

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