Ortskern an der Ausfallstraße
Zwei Anklagen in der Bausubventionsaffäre Mecklenburg-Vorpommerns
Als die Staatsanwaltschaft vor etwa anderthalb Jahren das Schweriner Finanzministerium durchsuchen ließ, reagierte die damalige Finanzministerin Sigrid Keler (SPD) überaus empfindlich – mit Vorwürfen gegen die Ermittler statt mit Aufräumarbeiten im eigenen Haus. Jetzt ist auch das Ergebnis der damaligen Razzia bekannt: Gegen zwei höherrangige Mitarbeiter des Schweriner Finanzministeriums liegen nun Anklageschriften vor. Die beiden sollen im Jahr 2003 auf einer Sitzung mit Finanzamtsleuten aus dem Land die Devise ausgegeben haben, bei Wohnbauförderungen nicht so genau hinzuschauen.
In den neunziger Jahren und zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts, davon gehen die Ermittler aus, sollen in Mecklenburg-Vorpommern mindestens 1,2 Millionen Euro an Bundes-Fördermitteln für den Wohnungsbau bewusst falsch vergeben worden sein. Die Gelder waren eigentlich dafür bestimmt gewesen, die Wohnbebauung in Ortskernen zu erhalten und zu stärken – doch sind offenbar zahlreiche Wohnbauprojekte »auf der grünen Wiese« mit dem Geld unterstützt worden – nachdem die Finanzämter die entsprechenden »Kerngebietsbescheide«, die von den Gemeinden vergeben wurden, offenbar kaum geprüft oder gar bewusst »ein Auge zugedrückt« hatten.
Finanzministerin Heike Polzin (SPD), die inzwischen der aus Altersgründen ausgeschiedenen Sigrid Keler nachgefolgt ist, begrüßte die Anklagen, nun werde endlich juristische Klarheit geschaffen. Offenbar hat das Ministerium selbst gegen einen der beiden Beamten Disziplinarmaßnahmen eingeleitet. In mindestens drei Fällen soll er gewusst haben, dass die jeweiligen »Kerngebietsbescheinigungen« nicht zutrafen und trotzdem nicht eingeschritten sein. Der zweite angeklagte Finanzamtsmann soll dagegen das Vertrauen der Ministerin bis auf Weiteres ungebrochen genießen.
Die Affäre hatte im Lauf der letzten Jahre im Nordosten immer größere Kreise gezogen. Unter anderem war Rainer Dambach, seit 2002 parteiloser Bürgermeister von Pasewalk, wegen der Affäre zeitweise suspendiert worden. In das vorpommersche Städtchen soll ein Löwenanteil der fragwürdigen Gelder geflossen sein, im Jahr 2000 nach der Erteilung eines »Kerngebietsbescheids« insgesamt über eine Million Euro in die sogenannte Anklamer Siedlung – die ganz offensichtlich am Rande der Stadt liegt. Die Anklamer Wohnbaugesellschaft musste inzwischen inklusive Verzinsung etwa 800 000 Euro zurückgeben. Dambach allerdings ist inzwischen wieder im Amt – die fraglichen Vorgänge fielen schließlich fast ausschließlich vor seine Amtszeit.
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