Hysterie und Diffamierung nützen wenig
Berliner Polizisten wehren sich gegen den Vorwurf, im Fall des Sexualstraftäters Uwe K. versagt zu haben
Bilder sind nicht erlaubt. Die Mitarbeiterinnen des Kommissariats mit der Nummer 141 des Berliner Landeskriminalamts verspüren keinen Drang, im lokalen Fernsehen aufzutauchen. Ebenso wenig wollen sie ihr Bild in einer der Zeitungen sehen. Das würde etwa ihre Observationen gefährden. Dennoch haben sie offenbar das dringende Bedürfnis, sich in der Öffentlichkeit zu äußern. Denn seit Tagen steht ihre polizeiliche Arbeit, die Betreuung rückfallgefährdeter Sexualstraftäter in der Metropole, im Fokus der Berichterstattung – seit dem kürzlich bekannt wurde, dass der verurteilte Sexualstraftäter Uwe K. rückfällig geworden war. K. saß bis 2007 elf Jahre wegen Kindesmissbrauchs und Vergewaltigung an neun Mädchen im Gefängnis. Eine nachträgliche Sicherungsverwahrung war aufgrund einer Gesetzeslücke nicht möglich gewesen. Wieder in Freiheit, wurde er schon 2008 rückfällig, seit Dezember sitzt K. deshalb erneut in Untersuchungshaft.
Die Opposition von CDU und FDP unterstellt dem rot-roten Senat in der kontroversen Debatte, trotz Beobachtung den Missbrauch des als höchst rückfallgefährdeten Täters nicht verhindert zu haben. Den dabei mitschwingenden Vorwurf, die Polizei habe versagt, wollen die Mitarbeiterinnen des Kommissa- riats nicht unwidersprochen stehen lassen. Deshalb haben sie die Presse ins Polizeipräsidium geladen.
»Wir arbeiten in einem unheimlich komplexen Bereich«, stellt Hauptkommissarin Sabine Pelle gleich zu Beginn klar. Sie weiß, wovon sie spricht, denn gemeinsam mit ihrer Kollegin, der Oberkommissarin Sylvia Rabenow, hat Pelle das »LKA 141« seit 2003 aufgebaut. Ein laufender Prozess; die Entwicklung des Kommissariats für sogenannte täterorientierte Prävention ist noch nicht abgeschlossen. Insgesamt zehn Täter wie Uwe. K. werden aktuell durch die Polizisten bearbeitet, berichtet Pelle.
Wer mit welchen Maßnahmen von den rückfallgefährdeten Straftätern polizeilich betreut wird, entscheiden die Polizisten gemeinsam mit den Justizbehörden. Sie studieren die Akten, sammeln Informationen über die Haftzeit und das Verhalten der Freigelassenen während dieser. Anhand der Analyse wird dann entschieden, wer aus einer wesentlich größeren Gruppe letztlich mit weiteren Maßnahmen bedacht wird.
Rein rechtlich ist es allerdings so, dass diese Täter ihre Strafen abgesessen haben und damit auch wieder alle Grundrechte genießen. Ohne konkreten Verdacht und drohende Gefährdung sind deshalb keine 24-Stunden-Observationen erlaubt. Es mangelt also nicht an Personal, wie es Polizeigewerkschaften und die Oppositionsparteien in der Debatte suggerieren.
»Es war immer ausreichend Personal da«, betont Pelle. Ähnlich vehement tritt die Kommissariats-Leiterin Rufen nach elektronischen Fußfesseln oder dem Outen von ehemaligen Sexualstraftätern im Internet entgegen: »Es hilft nichts, wenn man wie in den USA in den Garten des Täters ein Schild rammt.« Im Gegenteil: Damit werde Hysterie und Diffamierung betrieben, die auf die Rückfallquote sogar einen negativen Einfluss habe. Erfolgsversprechender sei der »proaktive Täterschutz«. Wie der in Berlin funktioniert, erläutert Oberkommissarin Rabenow: »Wenn wir wissen, wo der Täter wohnt, versuchen wir, ein Netzwerk aufzubauen.« Das heißt, es wird Kontakt mit dem Bewährungshelfer aufgenommen, den Eltern von Kindern, zu denen die Person Kontakte hat, werden Warnhinweise erteilt. Ab und zu gehen die Beamten auch direkt zu den möglichen Tätern. Besonders intensive Nachforschungen bis hin zu Observationen betreiben sie jedoch nur, wenn sie Hinweise auf einen Rückfall erhalten. »Es ist sogar schon vorgekommen, dass Täter bei uns anriefen und um Hilfe baten, weil sie selber einen Rückfall an sich bemerkten.« In vielen Fällen konnte so ein erneuter Missbrauch verhindert werden.
Im Fall von Uwe K. wurden zwar alle Register gezogen. Doch die Warnungen wurden von den Eltern nicht ernst genommen. Dann stoßen die Beamten an ihre Grenzen. Zumal Sexualstraftäter langfristig Kontakte zu ihren Opfern aufbauen. Sich ihnen also in einem schleichenden Prozess geschickt und manipulativ nähern. Dabei setzen sie oft auf die materielle Not der Eltern, haben die Kriminalbeamtinnen beobachtet. So oder so sei die Schuldfrage aber ausschließlich bei den Tätern zu suchen.
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