Eine Brücke ist heute wie ein Berg
Radsportlegende Ryszard Szurkowski zu Besuch beim 99. Berliner Sechstagerennen
ND: Herr Szurkowski, sind Sie zum ersten Mal beim Sechstagerennen?*Szurkowski: In Berlin bin ich zum ersten Mal bei solch einem Rennen, aber ich war früher schon einmal bei den sechs Tagen von Zürich. Allerdings habe ich so eine Riesenstimmung wie hier in Berlin noch nie erlebt. Höchstens bei der Friedensfahrt.
Damals gab es neben Ihnen viele sehr gute polnische Fahrer. Warum hört man heute wenig von Radsportlern aus Polen?
Nach dem Aus für die Friedensfahrt verfiel das Niveau des Radsports in Polen. Die Friedensfahrt war für junge Leute immer große Motivation, Rennfahrer zu werden. Man wurde bekannt und geehrt. Ich hatte als junger Mann gerade erst zwei Monate gearbeitet. Dann wurde ich polnischer Meister und brauchte nicht mehr an die Werkbank. Noch heute verdiene ich als Funktionär im polnischen Radsportverband mein Brot damit.
Was war die Friedensfahrt – ein Politikum oder guter Sport?
Für Politiker war sie natürlich eine hochpolitische Veranstaltung. Für Radsportler dagegen war sie ein großer Wettkampf. Vielleicht hatten wir nicht so hohe Berge wie der Giro d'Italia oder die Tour de France, aber die Berge, die auf unserer Strecke lagen, fuhren wir so schnell hoch, dass sich auch die Spreu vom Weizen trennte. Und die Fahrer kamen aus ganz Europa, den USA und Australien.
Sind Sie jemals auf der Bahn gefahren?
Eigentlich nur im Training. Ich habe mich auch bei den polnischen Bahnmeisterschaften im 4000-Meter-Verfolgungsfahren versucht, allerdings mit mäßigem Erfolg. Und solch eine Bahn unterm Dach hatten wir damals nicht. Erst seit den WM 2009 in Pruszków besitzen wir eine gute Halle. Langsam zeigen sich auch Erfolge. Aber selbst bei den WM konnte man die Stimmung nie mit der hier vergleichen. Da saßen 1500 Zuschauer und schauten ziemlich ruhig zu.
Fahren Sie heute noch Rad?
Nur manchmal in der Freizeit. Aber für mich ist heute eine Brücke schon ein Berg.
Gespräch: Hajo Obuchoff und Jirka Grahl
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