Viel Streit ums richtige Regieren
Vertreter der LINKEN diskutierten in Hannover über den zukünftigen Kurs der Partei
Was in Berlin und Brandenburg geschehe, sei »völlig falsch«, stellte der Politikwissenschaftler Wolfgang Krumbein von der Universität Göttingen auf einer Veranstaltung der Linkspartei, zur der die Linksjugend solid geladen hatte, klar. DIE LINKE dürfe sich nicht am Abbau öffentlicher Beschäftigung beteiligen. Wer jetzt im Land mitregiere, müsse neoliberale Politik durchsetzen, weil die Länder von der Bundespolitik abhängig seien, so Krumbein. Der Fraktionsvorsitzende der LINKEN im niedersächsischen Landtag, Manfred Sohn, ergänzte, es werde der Eindruck erweckt, als könnte sich durch die Regierungsbeteiligungen das Leben der Menschen fundamental verändern. Dadurch werde ihnen Sand in die Augen gestreut, sagte Sohn.
Der Koalitionsvertrag in Brandenburg hätte von der Substanz her auch von der Großen Koalition stammen können, kritisiert Heimo Stiemer, Bundessprecher der parteinahen Jugendorganisation solid. Es dürfe in der Regierung kein Zurück hinter Kernforderungen geben. Das aber sei in Berlin und Brandenburg passiert.
Ganz anders sieht das Stefan Liebich, der vor seinem Wechsel in den Bundestag im Land Berlin mit der SPD Regierungspolitik gemacht hat. Er verweist auf Umfragen, in denen die Mehrzahl der Linkspartei-Wähler eine Regierungsbeteiligung wünscht. Außerdem könne sich die Partei das gar nicht aussuchen. »Ich möchte erleben, was hier in Niedersachsen bei den nächsten Landtagswahlen passiert, wenn eine rot-rot-grüne Mehrheit möglich ist«, sagt der Sprecher der parteiinternen Strömung Forum Demokratischer Sozialismus (FDS) an die Adresse von Manfred Sohn. Wenn ein Angebot von der SPD komme, müsse man darauf vorbereitet sein, um keine Fehler und falsche Kompromisse zu machen. Gegenüber den Regierungen im Osten sprach Liebich von einer »Verdächtigungskultur«. Dabei könnten sich die Erfolge in Berlin nach Startschwierigkeiten sehen lassen. Auch der Personalabbau im Öffentlichen Dienst in Brandenburg falle geringer aus als geplant, niemand werde entlassen.
Der FDS-Sprecher plädiert dafür, sich auch auf Koalitionen im Bund vorzubereiten und begründete das mit Erwartungshaltungen in der Bevölkerung. Heimo Stiemer kann sich zwar auch eine Regierungsbeteiligung vorstellen, die aber müsse eine »widerständige gesellschaftspolitische Stoßrichtung« haben. Dafür seien gesellschaftlicher Rückhalt und Mobilisierungskraft außerhalb des Parlaments entscheidend. »Ansonsten sind wir irgendwann Bestandteil des Establishments, und die Partei ist überflüssig«, so Stiemer.
Wolfgang Krumbein forderte, Kriterien für eine Regierungsbeteiligung zu formulieren. Entscheidend sei, dass sich für die Menschen, die die Linkspartei gewählt haben, die soziale Situation deutlich verbessert. Außerdem müssten das Arbeitslosengeld II und der Niedriglohnsektor verändert werden, sagte Krumbein. Wenn das nicht passiere, sei er »massiv« gegen eine Regierungsbeteiligung.
Die LINKE müsse sich als Instrument der Gewerkschaften, Initiativen und der Anti-Atomkraft-Bewegung verstehen und den Widerstand gegen die Entwicklung zu mehr Krise und Krieg fördern, sagte Sohn. »Das ist ihre historische Aufgabe.« Regierungsbeteiligungen seien nur dann richtig, wenn man damit grundlegend etwas verändern kann.
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