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Schattenparker ohne Vorstand

Staatliche Repression gefährdet den Fortbestand der Freiburger Wagenburg

  • Björn Kietzmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Die rund 50 Bewohner von Freiburgs größtem selbstverwalteten Wagenplatz fühlen sich in die Enge getrieben. Polizeiliche Repression bedroht den Fortbestand der Wagenburg Schattenparker.
Beim Wagenbau
Beim Wagenbau

Freiburg im Breisgau gilt als grünes und alternatives Städtchen, quasi als Exot im tiefschwarzen Süddeutschland. Überhöhte Mieten, der Wunsch nach Selbstbestimmung, das Leben in einer großen Gemeinschaft, Mobilität und Unabhängigkeit – die Motive der Bauwagen-Bewohner sind unterschiedlich, doch sie eint die bewusste Entscheidung, in Bauwägen Leben zu wollen. Das Leben auf dem Wagenplatz ist deutlich näher an der Natur als in der üblichen Stadt-Wohnung. Viele Wägen sind mit Solaranlagen ausgerüstet und das Regenwassern dient als Brauchwasser.

Vor wenigen Tagen erhielten die Vorstandsmitglieder des Schattenparker-Trägervereins Strafbefehle. Ihnen wird ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen. Die drei Betroffenen legten hieraufhin geschlossen ihre Mandate nieder. Laut den Schattenparkern ist es durch die Strafbefehle »quasi unmöglich«, Nachfolger zu finden. Ohne neuen Vorstand ist das weitere Bestehen des Trägervereins ebenso gefährdet wie der Wagenplatzes als Ganzes.

Stadtrat Coinneach McCabe (Grüne Alternative) bewertet das Vorgehen gegen die Schattenparker als politisch motiviert. Die Grüne Alternative spaltete sich im Juni 2008 von den Freiburger Grünen ab, da diese über ein mangelndes Demokratie- und Rechtsverständnis verfügen würden, welches auch beim Grünen Oberbürgermeister Salomon festzustellen sei.

Die aktuelle Repression ist auf Vorfälle in den Jahren 2005 bis 2009 zurückzuführen. Im November 2005 verließen die Schattenparker ihren zwei Jahre geduldeten Standort, um einer gewaltsamen polizeilichen Räumung zuvorzukommen. Nach längerem Hin und Her schlossen Stadtverwaltung und Schattenparker im Sommer 2006 einen fünfjährigen Vertrag über eine Flächennutzung im Industriegebiet Nord ab. Im Vorfeld gab es eine Vielzahl an Protesten und Aktionen für einen neuen Platz. Im Dezember 2005 eskalierte die Situation, als 300 Polizeikräfte eine Protestkundgebung von 40 Aktivisten beendeten. Die Beamten beschlagnahmten 25 bewohnte Fahrzeuge, welche erst drei Monate später zurückgegeben wurden. Zudem wurden 24 000 Euro »Abschlepp- und Unterstellkosten« in Rechnung gestellt.

Die Schattenparker klagten gegen den Kostenbescheid, verloren jedoch im Mai 2009 in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Freiburg. Gegen das nicht rechtskräftige Urteil wurde im Juni 2009 demonstriert. Der Protestzug war jedoch unangemeldet. »Um Kritik gegen eine stetig zunehmende Einschränkung der Versammlungsfreiheit zu üben und um selbstbestimmte Politik praktisch einzufordern, werden linke Demos in Freiburg generell nicht angemeldet«, so Schattenparker Heiner Ruby zum ND. Die Polizei leitete Ermittlungen wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein. Als tatverdächtig stufte die Polizei die formalen Vorstands-Mitglieder vom Schattenparker-Trägerverein ein.

Solche Trägervereine sind Teil städtischer Befriedungsstrategie aus den 1990er Jahren. Ein Fruchten des Konzept setzt allerdings voraus, dass niemand stellvertretend für ein Kollektiv büßen muss. In einer Stellungnahme des örtlichen Autonomen Zentrums KTS heißt es dazu: »Der repressive Kurs der Polizeidirektion unter Heiner Amann und der Stadtverwaltung unter Dieter Salomon wird fortgeführt. Offensichtlich besteht kein Interesse an einer befriedeten Kooperation auf Vereinsbasis.«

»Diese Kriminalisierung erzwingt ein offensiveres Auftreten«, meint auch Wagenbewohner Ruby. Er findet es absurd, dass die Freiburger Stadtverwaltung ihre eigenen »Befriedungsstrategien sabotiert«. Sie müsse sich deshalb »auf weitere Besetzungen und Proteste einstellen und endlich zur Einsicht kommen, dass es politische Lösungen für linke Freiräume braucht«.

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