Netzwerke zum Wohl der Kinder
Magdeburger LINKE will Verwaltung ändern
ND: Frau von Angern, seit Kurzem hat Sachsen-Anhalt ein Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von Kindern und zur Förderung der frühkindlichen Bildung. Eine gute Sache, sollte man meinen, doch zwischenzeitlich schien es sogar, als werde die LINKE im Landtag nicht zustimmen. Was war los?
von Angern: Der ursprüngliche Ansatz der Landesregierung von CDU und SPD enthielt einen Generalverdacht gegenüber allen Eltern, ohne die Gewähr dafür zu geben, dass tatsächlich Fälle von Kindesmisshandlung oder -vernachlässigung entdeckt werden. Die regelmäßige Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen hilft dabei kaum. Als dies und anderes im Entwurf geändert war, hat meine Fraktion zugestimmt.
Das Gesetz sieht lokale Netzwerke zum Kinderwohl vor. Deckt sich das nicht mit den Strategien gegen Kinderarmut, mit denen die LINKE 2011 in den Landtagswahlkampf ziehen will?
Wir haben in Sachsen-Anhalt bereits Initiativen von lokalen Netzwerken wie das zum Schutz des Kindeswohls und zur Förderung der Kindergesundheit in Stendal. Es ist wichtig, dass solche Netzwerke nicht allein durch das Engagement von Einzelnen am Leben gehalten, sondern institutionalisiert werden. Dass den Landkreisen und kreisfreien Städten jetzt dafür Geld zur Verfügung gestellt wird, nicht viel, aber es ist ein Anfang, bewerte ich positiv.
Gibt es längerfristige Erfahrungen mit derartigen Netzwerken?
Ich war im letzten Jahr in Dormagen in Nordrhein-Westfalen beim dortigen Bürgermeister Heinz Hilgers, der zugleich Präsident des Kinderschutzbundes in Deutschland ist. Dort gibt es solch ein lokales Netzwerk bereits seit zehn Jahren. In den Gesprächen wurde deutlich, dass es einer stetigen, einer langfristigen Arbeit bedarf, um auch wirklich alle, die mit Kindern zusammenarbeiten, von dieser Arbeit zu überzeugen. Und sie für diese Verantwortung, die sie tragen, zu sensibilisieren.
Was lässt sich davon auf das eher finanzschwache Sachsen-Anhalt übertragen?
Dormagen ist finanziell nicht besser gestellt als viele Kommunen in Sachsen-Anhalt. Das Jugendamt dort hat es verstanden, sich als Erziehungspartner von Familien darzustellen und das auch nach innen als Selbstverständnis durchzusetzen. Es gab dort Veränderungen in den Verwaltungen. Das erhoffe ich mir auch für Sachsen-Anhalt. Der Bedarf an mehr gut ausgebildetem Personal wurde dort nicht nur anerkannt, sondern auch umgesetzt. Die Fachkräfte des Jugendamtes sind vor allem bei den Familien, nicht im Büro. Die Jugendämter dürfen aber nicht als Interventions- oder Repressionsbehörde wahrgenommen werden, sondern eben als vertrauenswürdiger Ansprechpartner bei Fragen der Erziehung und in Fällen von Überforderung in Erziehungssituationen; Prävention statt Intervention ist gefragt.
Weiß man in den Behörden eigentlich, wie es in den Familien aussieht?
In den Jugendämtern kennen die Mitarbeiterinnen den Großteil der problematischen Fälle. Doch die Handlungsmöglichkeiten sind sehr gering. Und das liegt nicht an den mangelnden rechtlichen Möglichkeiten, sondern an den fehlenden Ressourcen, am fehlenden Personal und zuweilen auch an dessen mangelhafter Ausbildung. Es gibt Jugendämter, die grundsätzlich keinen begleiteten Umgang als Maßnahme empfehlen, weil das Personal dafür fehlt. Das ist auf keinen Fall im Sinne der Kinder.
Aber wenn das Geld fehlt ...
Die LINKE weiß, dass sie den Euro nur einmal ausgeben kann und fordert, dass Landesmittel intelligent und unbürokratisch gebündelt werden. Wir haben Modelle für eine kommunale Sozialpauschale und einen Familienpass vorgelegt. Es sollte vor Ort entschieden werden, welcher Bedarf besteht.
Wie viele Kinder sind im Bundesland Sachsen-Anhalt von Armut betroffen?
Mitte 2009 lebten 72 359 Kinder unter 15 Jahren in Familien, die ALG II bezogen. Jeder Dritte unter 15 Jahren gilt als einkommensarm.
Sie haben auch schon die Aufnahme von Kinderrechten in die Landesverfassung gefordert.
Kinderrechte haben leider keine unmittelbare materielle Wirkung. Aber sie stärken die Rechtsposition von Kindern innerhalb der Gesellschaft wie auch innerhalb der Familie. Hier könnte ein Vergleich zur Gleichberechtigung von Mann und Frau gezogen werden. Auch dies ist inzwischen ein sehr wichtiger Bestandteil der Grundrechte und führte zu vielen, auch rechtlichen, Veränderungen.
Das Gespräch führte Uwe Kraus.
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