Festung Vancouver

Bürgerrechtler befürchten während der Olympischen Spiele und danach eine Dauerüberwachung

  • Isaac Oommen, Vancouver
  • Lesedauer: 3 Min.

Die größte Sicherheitsoperation in Kanadas Geschichte – so könnte man Vancouver zur Zeit der Olympischen Winterspiele (12. bis 28. Februar) beschreiben. Mit 13 000 Mann Personal, zusammengesetzt aus Militär, der Royal Canadian Mounted Police (RCMP), Geheimdienst und privaten Firmen, und einem Budget von 900 Millionen Kanadischen Dollar (etwa 600 Millionen Euro) wird das Thema Sicherheit bei den Spielen alles andere als klein geschrieben.

Besondere Bedeutung hat die 2003 gegründete Vancouver 2010 Integrated Security Unit (ISU). Diese Regierungsorganisation verbindet Bundes- und lokale Polizei mit Militär sowie Geheimdienstpersonal und plant groß angelegte Operationen während der Spiele: Hintergrundüberprüfungen, elektronische Sicherheitsbereiche, Kontrollen von Fußgängern und Autos sowie Videoüberwachung.

Einige Bürger Vancouvers sorgen sich nicht nur darüber, dass die Kosten dafür fünfmal höher sind, als die Stadt und das Organisationskomitee VANOC versprochen hatten. Nach einem langen Gerichtsstreit zogen der Universitätsprofessor Chris Shaw und die Jurastudentin und Anti-Olympia-Aktivistin Alissa Westergard im Januar ihre Klagen gegen die Stadt zurück, die bemängelt hatten, dass für Olympia eingeführte Verordnungen das Recht auf freie Meinungsäußerung beeinträchtigten.

Nach dreimonatigem Hin und Her sah die Stadt von einer Anordnung ab, die Olympiaproteste in einer 40 Straßenblöcke umfassenden Zone im Zentrum Vancouvers unter Strafe stellen sollte. Auch die British Columbia Liberties Association (BCLA) ließ eine Klage fallen, nach dem die Stadt ein Verbot von Antiolympia-Plakaten in Privathäusern strich.

Bürgerrechtsgruppen wie die BCLA sehen in der großen Sicherheitsstruktur ein Mittel, die Verordnungen doch durchzusetzen. Diese Ängste wurden noch verstärkt, als Vertreter der ISU Aktivisten besuchten, die gegen Olympia, Kriegsbeteiligungen Kanadas oder Ausweisungen von Illegalen protestieren. Diese Präventivbesuche werden als Beweis für all jene Aktionen angesehen, gegen die die Aktivisten ohnehin aufbegehren.

Auch das Gesetz zur Hilfe für Obdachlose aus dem vergangenen Jahr findet nicht die Zustimmung der Demonstranten. Es erlaubt Polizisten, Obdachlose an kalten Tagen in Notunterkünfte zu transportieren. Die Downtown Eastside Residents Association (DERA) prangert an, dass mit Hilfe dieses Gesetzes Obdachlose von der Straße verbannt werden sollen, um die Straßen für die Olympiatouristen »sauber« zu halten. Ein Mitglied der DERA vermutete in einem Kommentar, dass die Polizisten nicht wie angekündigt den Obdachlosen nur einen sanften Schubs geben werden, sondern eher einen gewaltsamen Tritt wie üblich.

Das Sicherheitspersonal hofft nach eigener Aussage hingegen, eine kaum sichtbare Rolle bei den Olympischen Spielen zu übernehmen. Kanadas oberster Verteidigungsgeneral Rick Hiller schrieb in einer Direktive an die in Vancouver eingesetzten Streitkräfte: »Es muss klar sein, dass die Spiele 2010 eine Sportveranstaltung sind, kein Sicherheitsevent.«

Diese weniger sichtbare Rolle soll vor allem dadurch erreicht werden, dass der Hauptteil der Überwachung digital abläuft. 990 Videokameras sind von der ISU und der Stadt Vancouver in der Nähe der olympischen Sportstätten angebracht worden. Zusicherungen der ISU, dass die Kameras nach den Paralympics im März wieder entfernt würden, haben die Ängste der Bürgerrechtler nicht lindern können.

»Die zusätzlichen Verordnungen und eine erhöhte Polizeipräsenz behindern niemanden in der Stadt«, wiederholen die Sicherheitsverantwortlichen seit Monaten, »so lange man unschuldig ist, natürlich.« Die Bürgerrechtler entgegnen immer wieder, dass der Sicherheitsapparat fast jedes Recht auf Privatsphäre verletzen werde und zusätzlich schon mal ein System für die Zukunft installiert. Mit der ansteigenden Spannung auf beiden Seiten versprechen die Spiele aufregend zu werden – innhalb und außerhalb der Stadien.

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