Heißer Tee und Zuhören
In der Magdeburger Bahnhofsmission ist in diesen Tagen die Nachfrage besonders groß
Magdeburg. Adelheid Bornholdt ist erleichtert. Es war erneut bitterkalt, doch Obdachlose und Hilfsbedürftige in Magdeburg haben die Nacht einigermaßen überstanden. »Wir können zwar alles Mögliche für die Menschen tun, wissen aber nicht, wo sie die Nacht verbringen«, sagt die Leiterin der ökumenischen Bahnhofsmission. Die 57-Jährige leitet auch das Caritas-Contactcafé im Stadtteil Cracau. Seit Beginn der Kältewelle ist die Nachfrage nach Hilfe in beiden Häusern groß – »aber nicht dramatisch«, sagt Bornholdt.
Pausenlos Schnee
»Wir sind froh, wenn niemand erfriert. Und dass wir sagen können: Wir haben wieder alles Mögliche für die Menschen getan.« Heißer Kaffee und Tee, dicke Bekleidung und eine warme Dusche sind in diesen Tagen besonders wichtig. Und wie auch im Sommer sind die Mitarbeiterinnen am Hauptbahnhof und in Cracau als Gesprächspartner gefragt. »Die Betreuung der Menschen und das Zuhören sind eine ganz wichtige Aufgabe«, sagt Bornholdt, die die Bahnhofsmission Anfang der 90er Jahre aufgebaut hat.
Zu Jahresbeginn, als es an einem Wochenende pausenlos geschneit hat, war die Aufgabe für die Frauen in den blauen Overalls prekärer, denn Zugreisende mussten heil über die verschneiten Bahnsteige gebracht werden. »Das hat uns mehr gefordert als die jetzigen Minusgrade.«
Abschalten lernen
Für Obdachlose gibt es laut Bornholdt in Magdeburg noch freie Übernachtungsplätze. Bundesweit sind in diesem Winter laut der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe schon mindestens 14 Obdachlose erfroren, so viele wie seit dem Winter 1996/97 nicht mehr.
Bornholdt hat ihr Büro im ersten Stock des Bahnhofsgebäudes, direkt am Bahnsteig 6, an dem vor allem die IC-Züge nach Braunschweig abfahren. In dem knapp acht Quadratmeter großen Zimmer stehen Fax-, Kopiergeräte und ein kleiner Reißwolf. An einem kleinen Schreibtisch bastelt Bornholdt an den Dienstplänen für die Bahnhofsmission, die jeden Tag von 6 bis 20 Uhr geöffnet ist. Viele der Menschen, die regelmäßig kommen, hat Bornholdt in all den Jahren persönlich kennengelernt. Viele sind alkoholabhängig, krank, haben keine Perspektive.
»Wohnungslos sind die wenigsten von ihnen. Einige kommen nachts bei Bekannten unter, tagsüber halten sie sich am Bahnhof auf. Es ist der soziale Brennpunkt«, sagt Bornholdt. Neben diesen »Stammgästen« werde auch Menschen geholfen, die aus irgendeinem Grund in Magdeburg gelandet sind, »zum Beispiel Ausländer, die hier ihr Glück versuchen oder demente Menschen, die irgendwo vermisst werden«.
Bornholdt muss täglich viel Leid erleben. Abschalten fällt ihr abends aber nicht mehr schwer. »Man lernt, Distanz aufzubauen und die Dinge nicht mit in die Nacht zu nehmen. Routine wird es aber nie.«
Ihren Antrieb für die tägliche Auseinandersetzung mit Armut zieht die 57-Jährige aus dem christlichen Glauben. »Es ist ein Stück Berufung.« Und auch die Dankbarkeit, dass es ihr gut geht, spornt sie an. »Man selbst hat es geschafft. Das treibt einen an.«
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