Rasmussen im Fettnäpfchen

Regierungskrise in Dänemark

  • André Anwar, Stockholm
  • Lesedauer: 3 Min.
Dänemarks Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussens wackelt zunehmend. Dem chaotischen UN-Klimagipfel folgten weitere Fehltritte. Selbst aus den eigenen Reihen wird ihm Amtsmüdigkeit vorgeworfen.

Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen hat viele Spitznamen, »Umweltmuffel« etwa. Das hatte vor dem Weltklimagipfel noch einen verständnisvollen Beiklang, denn den Wählern galt Rasmussen als gemütlich und volksnah. Ein Sachpolitiker mit Sitzfleisch – stabil und trinkfest.

»Unglücksrabe vom Dienst« wurde nach dem chaotischen Treffen in Kopenhagen gängig, als man Rasmussen die Schuld am jämmerlichen Ergebnis zuschrieb. In Dänemark fragt man sich, was für einen Nachfolger ihnen der stramme Anders Fogh Rasmussen im April 2009 hinterließ, als er NATO-Generalsekretär wurde.

Als Gipfelgastgeber machte »der neue Rasmussen« fast alles falsch, kritisierten selbst hohe westliche Regierungsvertreter. Beim Abschlusstreffen schlief er ein, gab insgesamt ein wirres Bild ab und zeigte respektlose Arroganz gegenüber Vertretern von Entwicklungsländern. In Dänemark sorgte er für massive Kritik wegen der Härte der Polizei, die friedliche Demonstranten schon vorbeugend verhaftete und so Proteste auflöste, bevor sie beginnen konnten.

Zurücktreten werde er jedoch nicht, betonte Rasmussen nach dem Gipfel. Nur reißt die Kette seiner Missgeschicke nicht ab. 80 Botschafter hatte er eingeladen, um Sondierungsgespräche nach dem Klimagipfel zu führen, den er selber weiter als kleinen Erfolg bezeichnet. Die dänische Presse nannte die Runde ein »Trostpflaster«, das dazu diene, Rasmussen aufzuwerten und den nächsten Klimagipfel in Mexiko vorzubereiten. Doch dann musste der rechtsliberale Regierungschef das Treffen kurzfristig absagen, weil sich seine schulpflichtige Tochter den Fuß verstaucht hatte. In dieser Woche wurde die Einladung erneuert.

Der 45-Jährige sei »ausgebrannt«, sollen sogar Kabinettsmitglieder gesagt haben. Ein spontaner Kurzurlaub in der Karibik erhärtete diese Einschätzung. Ehefrau und schulpflichtige Kinder flogen mit, obwohl die Regierung gerade mit einer Kampagne versucht, das Problem des Schulschwänzens zu bekämpfen. Rasmussen habe wahrscheinlich keine Ahnung, welche wichtigen Fragen seine Ministerien derzeit behandeln, wird kritisiert.

Kein Wunder, dass 70 Prozent der Dänen nicht mehr an eine Wiederwahl Rasmussens glauben, trotz schwacher Opposition. Daher wächst in den eigenen Reihen die Angst vor einer Wahlniederlage. Die liberale Venstre-Partei regiert nun drei Legislaturperioden gemeinsam mit den Konservativen, toleriert von der ausländerfeindlichen Dänischen Volkspartei.

Zudem kann Rasmussens Regierung mit der harten Ausländerpolitik, die sie populär machte, heute weniger punkten als früher. Viel mehr als die Einwanderung von Muslimen beunruhigt die Bevölkerung die rasant steigende Arbeitslosigkeit im Lande. Dänemark hat ein Jahrzehnt des Aufschwungs mit Fast-Vollbeschäftigung hinter sich. Die deutlich trübere Wirtschaftslage sorgt jetzt für Unmut. Die Kritik an Rasmussen ist inzwischen so groß, dass seine Ehefrau ihn verteidigen muss: Ein Staatsminister sei »auch nur ein Mensch. Er ist Vater einiger Kinder und Mann einer Ehefrau«.

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