Weltgeschichte, Dorfgeschichten

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 2 Min.

Dorfgeschichten vermengt Kerrin Gräfin von Schwerin gekonnt mit Weltgeschichte. »Die Uckermark zwischen Krieg und Frieden« heißt ihr Buch, das mit dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs beginnt und mit den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg endet. Es liest sich hervorragend und die Historikerin bleibt zunächst – von Kleinigkeiten abgesehen – sehr sachlich.

Nun gut, die Agitation des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins von Ferdinand Lassalle bezeichnet sie als »aggressiv und fordernd«. Sie zitiert zwar, der durchschnittliche Landjunker sei geistig nie sehr anspruchsvoll gewesen. Er habe kaum mal ein Buch gelesen, wohl eher eine Jagdzeitschrift. Aber dagegen stellt sie, in der DDR sei im Junker ein Feindbild entstanden, das vor Geschichtsfälschung nicht zurückschreckte. Von einer geschlossenen Gruppe von adligen Ausbeutern sei die Rede gewesen.

Aber dies ließe sich verschmerzen. Nur im Lichte der letzten vier Abschnitte fallen diese kurzen Passagen überhaupt auf. Bis Seite 155 macht das Werk einen vernünftigen Eindruck. Doch dann kommt die Sprache auf den April 1945. Von einem »Einmarsch der Russen« ist die Rede, nicht von einer Befreiung vom Faschismus, an keiner Stelle. »Mit der Ankunft der Russen brach die Ordnung zusammen«, heißt es dagegen. Oder: Die SED in Prenzlau habe 1975 zwei sowjetische Offiziere zu Ehrenbürgern ihrer Stadt gemacht, die für die Zerstörung verantwortlich gewesen seien. Was die Gräfin zweifelsohne bewegt, zeigen Sätze wie: »Eigentum war nicht mehr sicher«, »Der Knecht wurde zum Herren, der Herr zum Knecht« oder »wenig später ging das Plündern weiter von Staats wegen«.

Dass Industrieanlagen und Eisenbahnschienen demontiert und nach Osteuropa gebracht wurden, vermerkt die Gräfin ohne Hinweis auf Reparationen und Potsdamer Abkommen. Die Lage der Neubauern schildert sie in düsteren Farben. Kein gutes Wort über die Bodenreform, dabei weiß die Gräfin, dass bereits nach dem Ersten Weltkrieg eine Bodenreform erhofft wurde. Kein Wörtchen von den Vorzügen Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften. Schließlich konnte endlich eine nennenswerten Zahl von Bauernfamilien mal in den Urlaub fahren. Stattdessen steht im Buch tatsächlich, als Folge der LPG seien die Gärten vernachlässigt worden.

Immerhin, der Autorin gelingt noch ein versöhnlicher Abschluss. Sie lässt damals junge Menschen an die Nachkriegszeit zurückdenken: »Jetzt wurde nicht mehr gebombt und geschossen, jetzt wurde getanzt.« Armin Müller-Stahl spielte auf der Freilichtbühne in Shakespeares »Sommernachtstraum«, und Zeitzeugen erinnern sich an schwere, doch schöne Jahre, »ja an die besten ihres Lebens«.

Kerrin Gräfin von Schwerin: »Die Uckermark zwischen Krieg und Frieden 1648-1949«, Verlag für Berlin-Brandenburg, 200 Seiten (gebunden), 12,90 Euro

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