Krankenversicherung: Verbraucherexperten raten von überstürztem Kassenwechsel ab

Sozialversicherung

  • Lesedauer: 3 Min.

Zahlreiche Krankenkassen haben angekündigt, demnächst Zusatzbeiträge von ihren Versicherten zu erheben. Das ist Experten zufolge nur der Anfang einer großen Welle: Über kurz oder lang wird es wohl die meisten gesetzlich Versicherten treffen. Die Leute haben kaum eine Möglichkeit, sich gegen einen Zusatzbeitrag zu wehren – ein Kassenwechsel sollte in jedem Fall gut überlegt sein.

Wann dürfen Kassen einen Zusatzbeitrag erheben?
Gesetzliche Krankenkassen können einen Zusatzbeitrag erheben, wenn sie mit dem Geld aus dem Gesundheitsfonds nicht auskommen. Die Kassen verweisen auf die gestiegenen Ausgaben für Arzthonorare, Krankenhausvergütungen und Arzneimittel. Außerdem gibt es Einnahmeverluste durch gestiegene Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit, während der allgemeine Beitragssatz im vergangenen Jahr um 0,6 Prozentpunkte gesenkt wurde. Als erste Kasse hatte die Gemeinsame Betriebskrankenkasse Köln im vergangenen Jahr den Zusatzbeitrag erhoben.

Beteiligt sich der Arbeitgeber?
Nein. Den Zusatzbeitrag müssen Versicherte zusätzlich zum Einheitsbeitrag von derzeit 14,9 Prozent zahlen und zwar aus der eigenen Tasche.

Erheben alle Kassen den Zusatzbeitrag?
Vorläufig noch nicht. Denn die Finanzlage der Kassen ist recht unterschiedlich. Während manche recht gut aufgestellt sind und in diesem Jahr noch auf Zusatzbeiträge verzichten wollen, sind bei anderen die Rücklagen zusammengeschmolzen. In Medienberichten ist von bis zu 30 Kassen die Rede, die bis zum Sommer Zusatzbeiträge erheben könnten.

Wie hoch ist der Beitrag?
Der Zusatzbeitrag ist grundsätzlich auf ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens begrenzt, das sind maximal 37,50 Euro im Monat oder jährlich 450 Euro. Die Kassen können alternativ auch eine Pauschale von bis zu acht Euro monatlich von ihren Versicherten kassieren, ohne deren Einkommen zu überprüfen. Weil die Einkommensprüfung aufwändig und teuer ist, werden die meisten Kassen zunächst eine Pauschale erheben.

Gilt der Zusatzbeitrag auch für mitversicherte Familienmitglieder?
Nein, es zahlt nur das Kassenmitglied, nicht aber der mitversicherte Partner oder Kinder.

Gibt es Ausnahmen in Härtefällen?
Versicherte, die Sozialhilfe oder Grundsicherung erhalten, weil ihre Rente gering ist, zahlen den Zusatzbeitrag nicht selbst. In diesen Fällen übernimmt das Amt die Kosten. Auch für Langzeitarbeitslose wird der Zusatzbeitrag »in Härtefällen« von der Bundesagentur für Arbeit übernommen, etwa dann, wenn den Betroffenen ein Kassenwechsel nicht zugemutet werden kann. Details dazu müssen laut Gesundheitsministerium aber noch geklärt werden.

Können sich Betroffene gegen den Zusatzbeitrag wehren?
Im Grunde nicht. Es bleibt nur die Option eines Kassenwechsels. Erhebt eine Kasse einen Zusatzbeitrag, haben Versicherte ein Sonderkündigungsrecht. Das setzt die übliche 18-monatige Mindestbindung an eine Krankenkasse außer Kraft. Es gilt eine Kündigungsfrist von zwei Monaten. Versicherte, die bereits 18 Monate einer Kasse angehören, können auch ohne Berufung auf ihr Sonderkündigungsrecht wechseln.

Die Kasse ist verpflichtet, rechtzeitig über den Zusatzbeitrag zu informieren, so dass der Versicherte die Kasse wechseln kann, ohne den neuen Beitrag zu zahlen.

Achtung: Für Versicherte mit einem freiwilligen Wahltarif etwa mit Selbstbehalt oder Beitragsrückerstattung gilt das Sonderkündigungsrecht nicht. Sie bleiben drei Jahre gebunden.

Ist ein Kassenwechsel sinnvoll?
Verbraucherschützer warnen vor überstürzten Entscheidungen. Denn auch die neue Kasse kann einen Zusatzbeitrag erheben. Zudem kommt es nicht nur auf die Beiträge, sondern auch auf die Leistungen an. Die Kostenübernahme von Impfungen, Angebote von alternativen Heilmethoden und Unterschiede beim Kundenservice wie etwa eine Geschäftsstelle vor Ort können ausschlaggebend bei der Kassenwahl sein.

Was passiert, wenn ich nicht zahle?
Dann kommt auf den Versicherten ein Mahnverfahren zu.

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