Rezepte gegen Verödung
Auch in Sachsen-Anhalt sinkt die Einwohnerzahl vieler Orte. Sind IBA-Modelle der Ausweg?
Halle. Die 19 IBA-Städten in Sachsen-Anhalt – von Aschersleben bis Weißenfels – haben eines gemeinsam: Als Folge der demografischen Entwicklung, etwa der Abwanderung, sinken ihre Einwohnerzahlen deutlich – und dies hat Wohnungsleerstand und die Verödung ganzer Viertel zur Folge. 174 Millionen Euro wurden nun in Projekte investiert, die dafür sorgen, dass die Städte künftig attraktiv bleiben. Dieses Jahr geht die Internationalen Bauausstellung Stadtumbau 2010, kurz: IBA, zu Ende.
»Der Anspruch der IBA ist es, das Schrumpfen der kleinen und mittleren Städte positiv zu gestalten«, sagt Geschäftsführer Philipp Oswalt, der zugleich Direktor des Bauhauses Dessau ist. »Das Thema ist extrem relevant: In den 90er Jahren hat ein Viertel aller Großstädte auf der Welt Einwohner verloren. Es ist ein Normalfall der Stadtentwicklung geworden.« Seiner Ansicht nach ist es allen 19 Orten gelungen, einen Ansatz zu finden, wie sie sich profilieren und ihren Stadtkern stärken können.
Der Köthener Weg
Beispiel Köthen: Die Johann-Sebastian-Bach-Stadt hatte vor zehn Jahren noch 30 360 Einwohner, derzeit sind es 28 800. »Auf 25 000 werden wir uns zubewegen«, sagt Oberbürgermeister Kurt-Jürgen Zander (SPD). Um mehr Leben in den Ort zu bringen, hat er sich im Zuge der IBA auf einen berühmten ehemaligen Einwohner zurück besonnen: Samuel Hahnemann, den Begründer der Homöopathie. Für 2,6 Millionen Euro wurde das Spitalgebäude eines früheren Klosters in eine Europäische Zentralbibliothek für Homöopathie umgewandelt.
Dass ihre Heimat nun Sitz einer solch bedeutsamen Institution ist, stärke das Selbstwertgefühl vieler Menschen, meint das Stadtoberhaupt. Die Stadt habe sich als Standort für homöopathische Kongresse für Ärzte, Apotheker, Hebammen, Tierärzte und Zahnärzte etabliert, wovon Gastronomie, Hotels und Pensionen profitieren.
»Wir stellen uns darauf ein, dass wir eine gesunde, lebenswerte Stadt sein werden – auch mit weniger Menschen«, sagt Zander. Und: »Ich möchte zum Beispiel nicht in Bombay wohnen!« Die Verbindung Köthens mit der Homöopathie sei naheliegend, sagt auch Martin Rosenfeld, Stadtökonomie-Experte am Institut für Wirtschaftsforschung Halle.
Problemfall Halle
Aber Rosenfeld fragt sich: »Kam man dort wirklich erst durch die IBA auf diese Idee?« Zudem kritisiert Rosenfeld, dass es an einigen Orten – etwa in Halle – kein geschlossenes Gesamtkonzept gebe, sondern eine Verzettelung mit vielen Einzelmaßnahmen, die teilweise sicherlich auch ohne die IBA realisiert worden wären. »Hier fehlt der große strategische Wurf«, meint Rosenfeld, der die IBA grundsätzlich für sinnvoll hält. Die 19 Konzepte könnten durchaus auch Anregungen für Regionen im In- und Ausland vermitteln, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen, meint Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU). Tatsächlich rufen im IBA-Büro Interessenten aus anderen Regionen an.
»Wir haben Anfragen aus Deutschland, den Niederlanden und Italien«, sagt Annette Zehnter, die den Fachtourismus organisiert. Politiker, Studenten oder ganze Architekturbüros planen Exkursionen. »Wir schlagen ihnen Routen zu bestimmten Themen vor, etwa Landschaft oder historisches Erbe«, sagt Zehnter. Im IBA-Abschlussjahr wollen zudem alle Städte in Ausstellungen ihre Projekte präsentieren.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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