Kein Raum für Kritik bei der IG Metall?

Im Sindelfinger Daimler-Werk treten elf Metaller notgedrungen mit eigener Liste als »Alternative« an

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Kurz vor der Betriebsratswahl droht die IG Metall aufmüpfigen Mitgliedern im Mercedes-Benz Werk Sindelfingen mit Gewerkschaftsausschluss.

Auf einer »Liste 2« mit dem Titel »Alternative« treten elf Montierer bei den bevorstehdenen Betriebsratswahlen an, darunter langjährige IG-Metall-Vertrauensleute. In ihrem Programm für eine »kämpferische Betriebspolitik« fordern sie unter anderem Wertschätzung, Gerechtigkeit, Erreichbarkeit des Betriebsrats, Unterstützung bei Problemen, nicht zensierte Informationen für die Belegschaft, bessere Arbeitsbedingungen und Gesundheitsschutz. Dagegen werden zu einseitig gehörten Experten der Zeitwirtschaft, gierigen Managern, undemokratischen Betriebsräten, Lohndumping und externen Beratungsfirmen eine Absage erteilt.

Die Forderungen lassen ahnen, dass sich viel Unmut angestaut hat. Mahmut Aktas, Nummer 2 auf der Liste, klagt über zunehmende Arbeitsverdichtung, die alle Fließbandarbeiter belaste: »Mit solchen Fertigungszeiten können nicht einmal Olympiakämpfer mithalten.«

Aktas ist seit 19 Jahren IG-Metall-Vertrauensmann im Werk. Er und seine Mitstreiter werfen der Betriebsratsmehrheit um Daimler-Konzernbetriebsratschef Erich Klemm vor, vom Konzern vorgegebene Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen hinzunehmen, auf hart erkämpfte Errungenschaften zu verzichten und ein »Co-Management gegen die Interessen der Beschäftigten« zu betreiben. Seit Mitte 2009 publiziert die Gruppe Schriften mit dem Titel »Alternative« und vertritt die Überzeugung: Verzicht sichert keine Arbeitsplätze.

Die kritischen Metaller beklagen, dass ihre Unterstützer »auf Drängen der Betriebsratsmehrheit von allen Strukturen der Vertrauenskörperleitung ausgeschlossen wurden«. Daher träten sie notgedrungen mit einer eigenen Liste an. Die Reaktion des Gewerkschaftsapparats folgte prompt. Die »Alternative« richte sich »ausdrücklich gegen die Politik der IG Metall« und habe als eine »gegnerische Liste« das Ziel, »unsere Gewerkschaft zu schwächen und damit zu beschädigen«, heißt es in einem Brief der IG Metall Stuttgart an die Kandidaten der Liste 2.

Bei der Sitzung des IG Metall-Ortsvorstands am kommenden Montag soll nun über die Einleitung eines Untersuchungsverfahrens »wegen gewerkschaftsschädigenden Verhaltens« entschieden werden, bestätigte Betriebsbetreuerin Dr. Petra Wassermann von der IG Metall Stuttgart auf ND-Anfrage. Zu Inhalten und Hintergründen werde man sich erst danach äußern. Aktas will dagegen einen Ausschluss nicht hinnehmen: »Wir wollen die Gewerkschaft nicht spalten, sondern stärken und an ihre ureigensten Aufgaben erinnern«.

Als »Überrreaktion« bezeichnete Stefan Dreher, Landessprecher der AG Betrieb und Gewerkschaft in der Südwest-LINKEN, die möglichen Ausschlüsse und erinnert daran, dass im Daimler-Motorenwerk Stuttgart-Untertürkheim die Unterstützer der dortigen Gruppe »Alternative« nun wieder auf der offiziellen IG Metall-Liste kandidierten, ohne auf ihre Publikation zu verzichten. Auch der Untertürkheimer Betriebsrat Tom Adler kritisiert die angedrohten Repressalien als »anachronistisch«.

Für die Sindelfinger »Alternative« ist unterdessen eine Solidaritätskampagne über die Website www.labournet.de angelaufen. Mit gut 36 000 Beschäftigten gilt der Sindelfinger Betrieb als größter Standort des Daimler-Konzerns und IG Metall-Hochburg.

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