Versicherungen in Serie – Teil 17 - Zahnzusatzversicherungen sind zweckmäßig, aber teuer
Assekuranz
Die medizinische Versorgung in Deutschland schneidet im internationalen Vergleich noch gut ab. Doch seit den achtziger Jahren lässt sich in Westdeutschland und später in der ganzen Bundesrepublik ein verstärkter Trend zur Zwei-Klassen-Medizin beobachten. Zwar waren schon lange zuvor »Privatpatienten« und Beamte beim Arzt schneller und manchmal auch zuvorkommender behandelt worden, doch die medizinische Leistung war im Kern für alle bundesweit gleich.
Dies hat sich geändert. Seit betriebswirtschaftliche Kennzahlen und neoliberale Ideologie den Alltag von Kassen und Krankenhäusern weitgehend bestimmen, sind auch die wichtigen Leistungen nicht mehr für jedermann identisch. Längst erhält in einem der reichsten Staaten der Erde nicht mehr jeder Mensch das medizinisch Notwendige.
Von Verbänden und Bundesregierung wird zwar noch der Glaube befördert, dass dem nicht so ist. »Wie Eingeweihte wissen, eine politisch gepflegte Fata Morgana«, behauptet Jürgen Peters, Facharzt und Hochschullehrer an der Universität Duisburg-Essen. Und Professor Wulf Dietrich, Vorsitzender des Vereins demokratischer Ärztinnen und Ärzte, beklagte in einem Interview mit dem Neuen Deutschland die politisch erzwungene Kommerzialisierung der Ärzteschaft: »Aus Medizinern werden Kaufleute.«
Besonders deutlich wird der Trend zur Zwei-Klassen-Medizin in der Zahnversorgung. Dauerhafte Zahnfüllungen und Implantate erhält nur, wer kräftig zuzahlt oder entsprechend privat versichert ist. Wer es sich irgend wie leisten kann, wird über eine Zahnzusatzversicherung zumindest nachdenken.
Verschiedene Versicherer haben zum Jahresanfang neue Tarife für Zahnzusatz-Versicherungen für gesetzlich Versicherte vorgelegt. Folgend eine Übersicht aus dem »Versicherungsjournal«, ein Fachjournal für die Vertriebsexperten in den Versicherungsgesellschaften. Die Beispiele zeigen die Vielfalt des Angebots auf dem deutschen Gesundheitsmarkt und – damit zusammenhängend – die neue Unübersichtlichkeit, die selbst Vertriebsprofis das Leben schwer macht.
Die Continentale Krankenversicherung stellt ihren neuen Tarif CEZP als »hochwertigen Tarif für professionelle Vorsorge« vor. Versichert werden die Kosten von Wurzelkanal- und Parodontose-Behandlungen, »dentin-adhäsive« Spezialfüllungen sowie Zahnprophylaxe beziehungsweise professionelle Zahnreinigung bis zu 100 Prozent. Bei der Zahnprophylaxe ist die Zahlung der Versicherung auf 80 Euro im Jahr pro versicherte Person begrenzt. Zahnersatz und Implantate werden zu bis zu 90 Prozent abzüglich der Vorleistung der Krankenkasse erstattet. Dies gilt, wenn der Versicherte mindestens fünf Jahre ununterbrochene Vorsorge nachweist, sonst ist die Erstattung auf 80 Prozent begrenzt. Beachten sollte der Versicherte eine Leistungsstaffel in den ersten vier Versicherungsjahren, beginnend bei 1000 Euro im ersten Jahr bis zu 3000 Euro insgesamt in den ersten vier Versicherungsjahren. Als Preisbeispiele nennt die Continentale 17,85/22,12 Euro Monatsbeitrag für 30-Jährige (Mann/Frau) beziehungsweise 20,98/26,28 Euro für 40-Jährige.
Die Württembergische Krankenversicherung will ebenfalls ihre Kunden »zum Privatpatienten beim Zahnarzt« machen. Gleichzeitig wird auch für den Kooperationspartner Salus BKK geworben. Versicherten wird in Aussicht gestellt, eine Leistungserstattung »aus einer Hand« zu erhalten. Auch würden Wartezeiten gestrichen. Doch auch unabhängig von einer Mitgliedschaft bei der Salus BKK gilt das Angebot einer Kombination von Zusatzversicherungs-Bausteinen. Mit dem Baustein »Zahnbehandlung« (ZB) werden die Restkosten für Zahnbehandlungen, 100 Prozent der Zahnprophylaxe-Kosten sowie bis zu 200 Euro jährlich für Akupunktur, Hypnose und Vollnarkose bei Zahnbehandlungen übernommen. Als Baustein »Schöne Zähne« werden zwischen 30 und 70 Prozent der Gesamtkosten für Inlays, Kronen, Zahnprothesen und Implantate übernommen, höchstens allerdings 80 Prozent einschließlich der Leistungen der Krankenkasse. Auch hier gilt wieder eine Zahnstaffel in den ersten vier Versicherungsjahren, die von 1000 Euro im ersten Jahr bis 4000 Euro insgesamt in den ersten vier Jahren ansteigt. In einem dritten Baustein werden Zahnersatzleistungen um weitere 20 Prozent aufgestockt, so dass insgesamt eine Reduzierung der Kosten bis auf 0 Euro möglich wird. Des Weiteren werden Zahnprophylaxe-Maßnahmen bis 80 Euro jährlich zu 100 Prozent übernommen. Kurioserweise enthält dieser Baustein eine Kostenerstattung für Sehhilfen bis zu 125 Euro alle zwei Jahre. »Warum der Versicherte allerdings mit Sehhilfe beim Zahnarzt zum Privatpatienten wird, erschließt sich nicht ganz«, scherzt das »Versicherungsjournal«. Die Bausteine können frei kombiniert werden. Die Württembergische nennt für die Kombination aus drei Bausteinen Monatsprämien von 29,72/33,76 Euro für 30-Jährige (Mann/Frau) beziehungsweise 30,89/34,89 Euro für 40-Jährige. Bei einem zusätzlichen vierten Baustein beträgt der Aufschlag bei diesen Eintrittsaltern zwischen gut zehn und knapp 14 Euro im Monat.
Die beiden Beispiele zeigen auf ganz spezifische Art, wie tief sich die Spuren der Zwei-Klassen-Medizin schon in Deutschlands Gesundheitswesen eingegraben haben. Dies ist zunächst eine politische Herausforderung. Doch als Verbraucher, Patient und Versicherter müssen wir zugleich im Alltag mit dieser Zwei-Klassen-Medizin leben. Wer beispielsweise eine neue Zahnkrone oder eine Brücke braucht, zahlt dafür leicht einige hundert Euro drauf. Abhilfe kann da eine Zusatzversicherung schaffen. Sie schmälert die hohen Kosten für den Patienten. Die Versicherer bieten jedoch auch viele überflüssige Zusatzpolicen für Kassenpatienten an.
»Die Zahnzusatzversicherung ist für alle Patienten sinnvoll, die höherwertigen Zahnersatz wünschen, als die Kasse bezuschusst«, meint die Stiftung Warentest generell. Immer mehr Versicherte ließen sich lieber ein teures Implantat statt einer billigeren Brücke einsetzen. Ein Implantat kostet aber um die 1800 Euro, das ist für viele ein knappes Monatsgehalt. Doch nicht alle Policen taugen etwas. Das zeigt die Untersuchung von »Finanztest«, die auch im Internet eingesehen werden kann: Nur drei Tarife erhielten ein »sehr gut« für ihre Leistungen.
Vor Vertragsabschluss sollte man die Angebote der einzelnen Anbieter vergleichen:
Gehören Implantate und Inlays zum Zahnersatz? Ist die Anzahl der Implantate pro Kiefer beschränkt? Wie hoch ist die Erstattung?
Werden Zahnarzthonorare mindestens bis zum Höchstbetrag der Gebührenordnung für Zahnärzte (3,5-facher Satz) übernommen oder nur bis zum Regelhöchstsatz (2,3-facher Satz)?
· Inwieweit ist die Entschädigung begrenzt: zum Beispiel bis zu 80 Prozent insgesamt oder von maximal 2000 Euro pro Jahr? Sind die Leistungen in den ersten Versicherungsjahren gestaffelt, zum Beispiel 250 Euro im ersten Jahr, dann jährlich um 250 Euro steigend? Wird ab Beginn des Vertrages geleistet oder gibt es Wartezeiten?
· Welchen Einfluss haben fehlende Zähne auf den Versicherungsschutz?
Verzichtet der Versicherer auf das ordentliche Kündigungsrecht, damit er den Vertrag auch in den ersten drei Jahren nicht beenden kann?
Zwei Varianten:
Zahnzusatzversicherungen für Kassenpatienten gibt es meist in zwei Varianten. Bei Tarifen nach Art der Lebensversicherung hängt der Beitrag vom Eintrittsalter des Kunden bei Vertragsabschluss ab. Danach ändert er sich nur noch mit Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders, wenn die Kosten steigen. Der Versicherer darf die Verträge nicht kündigen und die Versicherungsbedingungen nur in seltenen Ausnahmefällen nachträglich verändern.
Die zweite Variante sind Tarife nach Art der Schadenversicherung. Hier kann der Beitrag im Laufe des Vertrags mit zunehmendem Alter des Kunden steigen. Beitragserhöhungen aufgrund von Kostensteigerungen kommen gegebenenfalls noch hinzu. Zudem kann der Versicherer in den ersten drei Jahren des Vertrags dem Kunden kündigen oder nachträglich Leistungen kürzen – es sei denn, er verzichtet in den Versicherungsbedingungen ausdrücklich auf dieses Recht.
Privat oder über die Kasse: Anbieter der Zusatzpolicen sind ausschließlich private Versicherungsgesellschaften. Darüber hinaus werben die meisten gesetzlichen Krankenkassen mit Zahnzusatzversicherungen. Sie fungieren aber ausschließlich als Vermittler zwischen den privaten Anbietern und ihren Versicherten. Vorteil für die Kunden: Für die von der Kasse vermittelten Tarife zahlen sie meist geringere Beiträge. Auch der Name der Police kann anders lauten als der gleiche Tarif beim privaten Anbieter. Die Zusatzpolicen lohnen sich vor allem, wenn Patienten für Zahnersatz einen hohen Eigenanteil zahlen müssen.
Tipp: Wer einen Tarif abschließt, sollte daher vor allem darauf achten, in welcher Höhe sich die Versicherung an den Kosten für Zahnersatz beteiligt.
Zum Zahnersatz zählen Kronen, Brücken, Prothesen und Implantate. Auch Kosten für Inlays erstatten viele Zahnzusatzversicherungen. Wichtig: Bei Implantaten und Inlays sind die Leistungen häufig eingeschränkt.
Einige Versicherer werben mit Extraleistungen, die sich auf zahnerhaltende Maßnahmen beziehen. Das ist für Versicherte nicht immer sinnvoll. Zum einen, da die gesetzlichen Krankenkassen Leistungen wie das Auswechseln von Füllungen, Ziehen von Zähnen oder Parodontosebehandlungen fast immer bezahlen. Für andere Leistungen wie umfangreiche professionelle Zahnreinigungen müssen Patienten dagegen selbst aufkommen. Allerdings ist dies bei weitem nicht so teuer wie Zahnersatz. »Kaum jemand wird finanziell ruiniert, wenn er die Rechnung dafür selbst begleicht«, meint die Stiftung Warentest.
Was Versicherte ebenfalls wissen müssen: Für bereits laufende Behandlungen zahlt die Zahnzusatzversicherung nicht. Sobald der Zahnarzt dem Patienten mitteilt, dass etwas getan werden muss, gilt die Behandlung als begonnen.
Ein danach abgeschlossener Vertrag nützt in diesem Fall nichts mehr. Zudem gilt bei den meisten Tarifen eine Wartezeit von acht Monaten nach Vertragsbeginn. Erst danach dürfen Kunden das erste Mal Leistungen in Anspruch nehmen. Viele Anbieter haben in den ersten zwei bis sechs Jahren außerdem zusätzliche Begrenzungen für die gesamten Tarifleistungen im Jahr.
Mit »sehr gut« bewertet die Stiftung Warentest nur Tarife der Versicherungsgesellschaften Central und Barmenia sowie des schweizerischen Anbieters CSS. Allerdings schnitten viele Versicherer im Test nicht viel schlechter ab und erhielten die Note »gut«. Als Versicherte bleibt den Verbrauchern, die erstklassig versichert sein wollen, also die Qual der Wahl.
HERMANNUS PFEIFFER
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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