Kratzer im Kaizen-Lack
Die Toyota-Affäre zeigt, dass der japanische Autoriese die Globalisierung nicht bewältigt
Japaner gelten als extrem qualitätsbewusst. Für ausländische Hersteller sind auch noch so winzige Qualitätsmängel die größte Barriere, um ihre Produkte auf den japanischen Markt zu bringen. Die hohe Qualität und ihr exzellenter Kundenservice erfüllten japanische Unternehmen stets mit Stolz. Doch der Mythos vom »qualitätsbesessenen« Japan gerät ins Wanken.
Das Debakel um Gaspedale beim weltgrößten Autobauer Toyota wird längst als Symbol für die Probleme des Landes betrachtet: Der einstige Musterschüler der Weltwirtschaft, der schon bald von China als zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt abgelöst werden dürfte, steckt in einer handfesten Managementkrise.
Die Pleite der größten Fluggesellschaft JAL im Januar zeigt die eine Seite der Misere: jahrzehntelang verschleppte Reformen und mangelnde Profitabilität im Inland. Auf die jahrelange heimische Wirtschaftskrise reagierte die Exportindustrie wiederum mit einer gnadenlosen Expansion auf den Weltmärkten. Japanische Unternehmen exportierten nicht nur global, sie bauten auch international massiv ihre Fertigung aus. Inzwischen verdienen Japans Konzerne mehr durch ihre Produktion im Ausland als durch ihre Exporte.
Es hapert jedoch nach Auffassung von Ökonomen am Aufbau eines neuen globalen Managements, das die Qualität, die Kommunikation und Strategien in den jeweiligen regionalen Märkten sicherstellt. Deshalb sei der Fall Toyota exemplarisch: Entgegen seiner traditionellen Unternehmensphilosophie einer schrittweisen Verbesserung (»Kaizen«), verbunden mit einem stets sehr hohen Grad an Investitionen, hatte sich der Autokonzern in den vergangenen Jahren im Wesentlichen auf eine beispiellose Expansion konzentriert – was letztendlich zu Lasten der Qualitätssicherung ging.
Hinzu kommen Schwierigkeiten mit dem globalen Management und der Kommunikation mit der Öffentlichkeit auf globaler Ebene. Einer der Vorwürfe der US-Behörden gegen Toyota ist es daher, viel zu langsam reagiert zu haben.
Wegen der Misere des weltgrößten Autokonzerns gleich das gesamte japanische Modell der Fertigung und Qualitätssicherung abzuschreiben, wäre wohl verfehlt. Doch zeigt der Fall exemplarisch, dass die Globalisierung völlig neue Herausforderungen an das Management mit sich bringt, nicht nur hinsichtlich der Qualitätssicherung in den Produktionsanlagen, sondern durch den gesamten Herstellungsprozess bis hin zur Kommunikation mit dem Publikum und den unterschiedlichen Regierungen weltweit. Genau dies haben viele japanische Unternehmen offensichtlich nicht im Griff.
Auf Krisen von außen, die sehr viel mit der Kommunikation mit Zulieferern und Kunden in anderen Märkten zu tun haben, reagieren die meist japanisch geführten Managementetagen häufig zu langsam. Für Ökonomen steht fest: Was die Japaner bräuchten, wäre ein globaler Managementstil, der auch die Übertragung von Verantwortung einschließt. Zwar dürfte Toyota die technischen Probleme zügig beheben. Der Imageschaden, der durch die langsame Reaktion und mangelhafte Kommunikation beispielsweise mit der US-Regierung entstanden ist, dürfte den Konzern hingegen noch auf Jahre belasten.
Das Pedalproblem
Als Toyota das Problem mit den klemmenden Gaspedalen endlich ernst nahm, fand man rasch die Ursache: Kondenswasser, das etwa durch den Einsatz der Heizung bei kalten Temperaturen entsteht, kann zu erhöhter Reibung am Pedalscharnier führen. Dann besteht die Möglichkeit, dass das betätigte Gaspedal langsamer in seine ursprüngliche Position zurückkehrt oder gar in der betätigten Position verbleibt. Abhilfe schaffen soll ein Distanzstück, das den Anpressdruck zwischen zwei Oberflächen reduziert, was zu einer geringeren Reibung führt. Das Distanzstück verstärkt zudem die Druckkraft der Feder, die das Gaspedal in seine ursprüngliche Position zurückbringt. Der Einbau in der Werkstatt soll rund 30 Minuten dauern. ND
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