Die Tragödie spielt weltweit

Schuldenweltmeister ist nicht Griechenland, sondern Japan

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die griechische Schulden-Tragödie steht derzeit in vielen Ländern auf dem Spielplan.

Athens Staatsverschuldung ist niedriger als die in Italien und das aktuelle Finanzloch ist nicht tiefer als in Spanien oder Irland. Auch außerhalb Europas leben viele Staaten auf Pump: Die Defizitquote der USA wird in diesem Jahr mindestens das Niveau Griechenlands erreichen, und die höchste Schuldenquote weltweit hat Japan. Wie konnte es so weit kommen?

In den 1970er Jahren hatte die Politik begonnen, den Schuldenstand drastisch zu erhöhen. Damit reagierten viele westliche Regierungen auf die Konkurrenz zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Zudem setzten sie auf eine neue Wirtschaftspolitik, die, wie vom britischen Ökonomen Keynes angeregt, auf Staatsverschuldung in wirtschaftlich schlechten Zeiten setzte, dann aber selbst in konjunkturell guten. Für neue Löcher im Staatshaushalt sorgte der politisch erkämpfte Wohlfahrtsstaat. Auch die DDR begann, mit der politisch gewünschten »Einheit von Wirtschaft- und Sozialpolitik« über ihre Verhältnisse zu leben. Der Wohlfahrtsstaat dehnte sich aus. Zudem wurde er durch die Massenarbeitslosigkeit, die seit dem Ende des Nachkriegs-»Wirtschaftswunders« zunahm, immer kostspieliger. Eine Folge: In diesem Jahr werden trotz Sozialabbaus aus dem 325 Milliarden Euro schweren Bundeshaushalt mehr als die Hälfte in Sozialausgaben fließen.

In einigen Ländern gab es einen zweiten Push. Der Schuldenberg in den USA und Großbritannien war durch die Folgen des Zweiten Weltkrieges angeschwollen. In Japan platzte Anfang der 90er Jahre eine Immobilienblase, die, da die Politik zu spät reagierte, in eine hartnäckige Deflation mündete. Immer neue Rettungs- und Konjunkturstützungsaktionen ließen den Schuldenberg auf mittlerweile 180 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) wachsen. Griechenland hat dagegen »nur« 110 Prozent. Deutschlands Quote schoss erst durch die Wiedervereinigung maßgeblich in die Höhe.

Weltweit einen dritten Schub beschert den Staatsschulden aktuell die Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise. Allein die deutschen Schulden werden 2010 auf 1,8 Billionen Euro klettern und von 66 auf 80 Prozent des BIP steigen.

Die Folgen wiegen schwer: Wirtschaftlich schwache Länder mit hohem Defizit müssen hohe Zinsen zahlen, was die Wettbewerbsfähigkeit zusätzlich gefährdet. So muss die griechische Wirtschaft zur Zeit fast fünf Prozentpunkte mehr an Zinsen zahlen als die deutsche. Noch schwerer wiegt, dass der Entscheidungsspielraum für die Politik immer kleiner wird: So fließen von 100 Euro Steuereinnahmen des Bundes 15 Euro als Zinsen ab. Experten schätzen, dass die Bundesregierung nur noch über ein Zehntel ihres Haushaltes frei verfügen kann. Alle anderen Ausgabenposten, Schuldentilgung und Zinsen sind langfristig gebunden.

Dennoch führt dies nicht zwangsläufig zu einer Tragödie. In den USA gelang in der Clinton-Ära mittels gewaltiger Haushaltsüberschüsse eine deutliche Reduzierung der Verschuldung, bevor George W. Bush mit seinen Kriegsabenteuern und Steuergeschenken zu tiefroten Zahlen zurückkehrte. Auch in Deutschland wäre es anders denkbar: »In der Vergangenheit haben Rot-Grün, sowie die Große Koalition durch Steuergeschenke an Unternehmer und Reiche auf Milliarden verzichtet«, kritisiert Michael Schlecht, Chefvolkswirt der Linksfraktion im Bundestag. Hätte Deutschland nur den durchschnittlichen Steuersatz der alten 15 EU-Länder, würde die öffentliche Hand jährlich etwa 120 Milliarden Euro mehr einnehmen. Allerdings: Die anderen 14 Staaten sind trotzdem hoch verschuldet.


Die Lücke

Der Staat muss sich verschulden. Dies ergibt sich aus dem »Kapital« von Karl Marx und aus der »Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung« der Statistiker. Wirtschaft und Private konsumieren und investieren nicht das gesamte Bruttoinlandsprodukt. Statt dessen sparen sie einen Teil. Dadurch entsteht ein Loch bei der Nachfrage. Dieses »überflüssige« Geld könnte sich theoretisch die Wirtschaft leihen und investieren. Tut sie aber nicht, weil sie selber Geld im Überfluss als Gewinn »produziert«. Um das Nachfrageloch zu füllen, muss der Staat einspringen. Dazu kann er entweder die Steuern erhöhen oder Kredite aufnehmen. hape

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