Nukleare Abrüstung ist kein Thema

»Force de frappe« soll Frankreich das Gewicht einer Großmacht in der Welt geben

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hält an der atomaren Abschreckung fest. Das könnte zu Konflikten mit US-Präsident Obama führen.

Im Zusammenhang mit dem 60. Jahrestag des ersten französischen Atombombenversuchs Mitte Februar wurde in der Öffentlichkeit wieder einmal die Forderung laut, Frankreich möge sich stärker für die nukleare Abrüstung engagieren. Wohl nicht ganz zufällig hatte Tage zuvor die internationale Bewegung »Global Zero« erstmals eine ihrer Tagungen in Paris abgehalten. Diese Bewegung, die sich für eine komplette nukleare Abrüstung bis 2030 einsetzt, will den US-Präsidenten Barack Obama unterstützen, der im April 2009 in einer Rede in Prag eine »Welt ohne nukleare Waffen« zu einem seiner vorrangigen Ziele erklärt hatte. In Frankreich zählen zu dieser Bewegung, unter deren Gründern 2008 neben international bekannten Persönlichkeiten und Künstlern auch die ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger und George Schultz waren, unter anderen Jacques Attali, ehemaliger Berater von Präsident François Mitterrand, und der sozialistische Ex-Premier Michel Rocard. Der rechte Ex-Premier Alain Juppé und General a.D. Bernard Norlain haben sich öffentlich für die Ziele der Bewegung eingesetzt.

Während das Abrüstungsthema bei den linken Oppositionsparteien gegenwärtig nicht zu den Prioritäten gehört, reagiert man in rechten Regierungskreisen und vor allem im Elysée äußerst unwirsch auf solche Initiativen. Hier gilt als Richtschnur, was Präsident Nicolas Sarkozy im März 2008 beim Besuch der Atom-U-Boot-Basis Cherbourg erklärt hat. Dort machte er erstmals die bis dahin streng geheime Zahl der französischen Atomsprengköpfe – es sind 300 – bekannt und nannte die nukleare Abschreckung eine »unerlässliche Voraussetzung«, um die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen durchzusetzen. Die habe für Frankreichs Regierung oberste Priorität und hierbei gelte es vor allem zu verhindern, dass Iran die Fähigkeit zum Bau von Atombomben erlangt. Zwar hat sich Paris im vergangenen September dem Wunsch des US-Präsidenten gebeugt und im UN-Sicherheitsrat für die Resolution 1887 gestimmt, die sich für »die Schaffung von Voraussetzungen für eine Welt ohne Kernwaffen« ausspricht. Aber was er wirklich davon hält, hat Sarkozy seinerzeit in einer Rede im Elysée-Palast erklärt: »Wir leben in einer realen Welt, nicht in einer virtuellen!« Auch wenn er sonst nicht viel von General de Gaulle übernommen hat, so teilt Sarkozy dessen Überzeugung, dass Frankreich ohne seine »Force de frappe« und deren Kernwaffen – selbst wenn ihre Zahl im Vergleich zu den USA oder Russland verschwindend gering ist – auf dem internationalen Parkett ohne Gewicht und Einfluss wäre.

Frankreich seinerseits fordert die Ratifizierung des Vertrags über ein umfassendes Verbot atomarer Tests durch alle Unterzeichnerstaaten, allen voran den USA, und schlägt ein internationales Abkommen über ein Verbot der Produktion von spaltbarem Material vor. All diese Fragen werden sicher zu neuen Spannungen zwischen Frankreich und den USA führen, etwa im April, wenn Präsident Barack Obama in New York zu einem Gipfel über nukleare Sicherheit einlädt, und im Mai auf der Überprüfungskonferenz zum Vertrag über Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen von 1968. Sollte diese Überprüfungskonferenz scheitern wie die vorangegangene 2005, dann droht dieses Vertragswerk völlig wirkungslos zu werden. Für Frankreich ist die Verteidigung und Durchsetzung dieses Vertrages von größter Bedeutung, gilt es doch zu verhindern, dass in unkontrollierbaren Ländern unverantwortliche Regierungen Zugang zu Atomwaffen bekommen. Doch dabei muss sich die französische Regierung daran erinnern lassen, dass im Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen festgeschrieben ist, dass sich die Länder, die bereits über Atomwaffen verfügen, »zu Anstrengungen mit dem Ziel von deren schrittweisem Abbau« verpflichtet haben.

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