Zerstörte Zukunftsperspektiven
Studie gibt ersten Überblick über Ausmaße des Erdbebens in Haiti
Nach den Schätzungen der Studie sind bei dem Erdbeben rund 250 000 Menschen ums Leben gekommen. Die materiellen Schäden werden mit acht bis 14 Milliarden US-Dollar beziffert. Dies entspricht dem mindestens zwei- bis dreifachen des haitianischen Bruttoinlandsprodukts. Maßgeblich für die große Zerstörungskraft des Bebens war demnach seine Nähe zur Hauptstadt Port-au-Prince. Daher seien öffentliche wie private Vermögenswerte im großen Umfang vernichtet worden, so die Studie.
Fast schwerer noch als die Verluste wiegen für die Autoren die zu erwartenden schlechten ökonomischen Perspektiven. Die Schäden beeinträchtigten die wirtschaftliche Entwicklung des Inselstaats stark. Öffentliche Infrastruktur müsse erst neu geschaffen werden, heißt es. Das Land könne zudem noch stärker von außen abhängig werden, als bislang ohnehin schon der Fall. Die Autoren befürchten, dass die anrollende internationale Wiederaufbauhilfe private Initiativen unterminieren könnte.
Rund 80 Prozent der staatlichen Investitionen und etwa 40 Prozent des haitianischen Staatshaushalts werden schon heute mit internationalen Geldern finanziert. Daher, so die Schlussforderung der Studie, sei nun eine der zentralen Herausforderungen, Exportchancen und zentrale Eckpfeiler der Wirtschaft zu sichern. Dabei geht es um den Erhalt der Agrarexporte wie Kakao, Mango und Kaffee, die Zulieferer- wie auch die Textilindustrie und den Tourismus.
Als zentrale Aufgabe sehen die Autoren aber auch eine transparente Verwendung der finanziellen Mittel, um die Präsident René Préval derzeit bei einer Lateinamerika-Konferenz in der Nähe des mexikanischen Badeorts Playa de Carmen wirbt. Für ein Land wie Haiti, das eine lange und vielfältige Geschichte von Korruption und Selbstbereicherung hat, eine echte Herausforderung. Von der hängt allerdings auch die Glaubwürdigkeit der amtierenden haitianischen Regierung ab.
Das Beben in dem kleinen Land ist die größte Naturkatastrophe der letzten Jahre, noch vor dem Tsunami von 2004. Dabei kamen zwar mit 226 000 Menschen annähernd so viele Menschen ums Leben wie voraussichtlich in Haiti, aber die Schäden auf der Antilleninsel sind etwas größer.
Die Studie kann nur eine erste Überschlagung der voraussichtlichen Erdbebenfolgen sein. Noch immer liegen keine genauen Opferzahlen vor. Haitis Regierung etwa rechnet mit einer möglicherweise höheren Zahl von Toten. Demnach könnten auch bis zu 300 000 Menschen bei dem Beben ums Leben gekommen sein. Die tatsächlichen Ausmaße der Katastrophe zu beziffern, bleibt daher weiter eine Rechnung mit vielen Unbekannten.
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