High Noon in Neumünster
Auch in Schleswig-Holstein ist ein Rockerkrieg entbrannt. Am Wochenende herrscht Großalarm
Es geht den berüchtigten Gangs Hells Angels und Bandidos um territoriale Machtansprüche in einem Bereich, den die Polizei zur Organisierten Kriminalität zählt. Deshalb setzte sich Landesinnenminister Klaus Schlie (CDU) dieser Tage in Kiel mit vielen Bürgermeistern betroffener Kommunen zu einem Informationsaustausch zusammen, um gemeinsam auszuloten, welche ordnungsrechtlichen Instrumente gegen die Rockerkriminalität zur Verfügung stehen. Die Polizei propagiert unterdessen seit Monaten eine so genannte Null-Toleranz-Strategie. Und in Oppositionskreisen im Kieler Landtag wird offen über ein Verbot der beiden Rockergruppen diskutiert.
Es grenzt beinahe an ein Wunder, dass es bei der Auseinandersetzung im Norden noch keinen Toten zu beklagen gibt. Bislang ist es bei Schwerverletzten geblieben. Besonders besorgniserregend ist dabei, dass die Fehde sowohl mitten in Städten – wie zuletzt in Neumünster und Flensburg – als auch auf der Autobahn ausgetragen wird.
Geld für Edel-Maschinen
Beiden Lagern werden seitens der Sonderkommission des Landeskriminalamtes in Schleswig-Holstein insgesamt 70 Mitglieder zugerechnet. Dazu kommen noch einmal 50 Unterstützer. Längst ist die Philosophie vom freiheitsliebenden Motorradfreak nur noch Legende, die meisten Mitglieder der Rockerbanden bewegen sich auf teuren Edel-Maschinen fort. Um diese zu bezahlen, mischen sie auch im nördlichsten Bundesland in der Rauschgiftkriminalität, in Waffengeschäften, in der Prostitution, im Menschenhandel und bei Schutzgelderpressungen mit.
Zudem gibt es neue Erkenntnisse, dass auch das Feld von Sport- und Internetwetten im Fokus der Rocker steht. Zunehmend werden zudem legale Geschäftsfelder wie Tätowierstudios, Gastronomie und Sicherheitsdienstleistungen (Türsteherszene) besetzt – in Mafiakreisen würde man von Geldwäsche sprechen.
Ein Vorfall Ende Februar in Dänemark zeigt, weshalb Schleswig-Holstein als offensichtliches Transitland im Milieu logistisch und strategisch von so großer Bedeutung ist. Die Polizei im nördlichen Nachbarland hat dort einen florierenden Rauschgiftring auffliegen lassen, der in der Hauptstadt Kopenhagen und in einer Ferienhaussiedlung operierte.
Als Kopf fungierte ein führender dänischer Bandido, zwei weitere Helfer, die als Kuriere eingesetzt waren, sind deutsche Staatsbürger im Alter von 38 und 61 Jahren. Deren Fahrzeuge wurden ebenso beschlagnahmt wie 15 Kilogramm Amphetamine und acht Kilo Haschisch. Im September wurde ein Bandido aus Neumünster laut Polizei auf der A 7 vom Kopf der Flensburger Hells Angels mit einem Pkw abgedrängt und gerammt. Das 24-jährige Opfer musste mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus. Der mutmaßliche Anführer der Höllenengel sitzt deswegen mittlerweile in U-Haft.
Party bei den Red Devils
Ein Racheakt fand dann am 19. Februar in Flensburg statt, als acht Bandidos einem angehenden Mitglied der Hells Angels auflauerten und den Mann brutal mit Eisenstangen und Äxten attackierten. Mit von der Partie waren auch zwei Bandidos aus Berlin und Brandenburg, wie sich später nach einer Festnahme durch die Polizei ergab.
Lange Zeit waren die Hells Angels in Schleswig-Holstein konkurrenzlos – bis 2009 sich die Bandidos zunächst mit drei Supporterclubs namens Chicanos in dem Bundesland niederließen. In der Folge gründeten sich verstärkt auch Unterstützergruppen der mit den Bandidos sympathisierenden Red Devils.
Die Bandidos residieren mittlerweile in Neumünster in einer Luxusvilla in unmittelbarer Nähe des Neonazi-Treffpunktes Club 88. Es gibt auch personelle Überschneidungen von Bandidos und rechter Szene sowie einen neuen Unterstützerklub namens Contras Neumünster.
In der mittelholsteinischen Stadt kam es bereits zu mehreren gefährlichen beziehungsweise tätlichen Begegnungen zwischen beiden Gruppierungen – etwa bei einer Motorradmesse oder in einem Schnellrestaurant in der Innenstadt. Deshalb herrscht in Neumünster am heutigen Samstag seitens der Polizei wieder Großalarm, wenn die dortigen Red Devils zu einer Party einladen und mit Zulauf aus dem gesamten Bundesgebiet zu rechnen ist.
Inzwischen lässt der Rocker-Krieg im Norden auch die Verantwortlichen in der Hansestadt Hamburg nicht kalt. Dort sind die Hells Angels offiziell verboten, nicht jedoch die Bandidos, die nun offenbar ihre Fühler ins Rotlichtmilieu ausgestreckt haben. Vor dem Verlagshaus der »Hamburger Morgenpost« wurde bereits Ende Februar ein Totenschädel mit der Nachricht »No Tacos« hinterlegt. Das ist die verächtliche Bezeichnung der Hells Angels für ihre Bandido-Rivalen.
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