Umdenken für Sotschi

Russlands Sport sucht nach olympischem Debakel nach einem Neuanfang

  • Manfred Hönel
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Sportfans in Russland sind enttäuscht. Platz elf in der olympischen Medaillenwertung, nur 15 statt der anvisierten 30 Medaillen und nur drei davon in Gold. Es ist das schlechteste Abschneiden bei Winterspielen, seit russische Athleten das erste Mal 1956 im italienischen Cortina d`Ampezzo antraten. Entsprechend verärgert reagierte der Kreml. Russlands Präsident Dmitri Medwedjew: »Die Verbände kommen einem vor wie vollgefressene Katzen.«

Medwedjew forderte den Rücktritt der Funktionäre. Der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees, Leonid Tjagatschow, folgte nun der Aufforderung. Sportminister Witali Mutkow klebt noch an seinem Stuhl. Wahrscheinlich nicht lange, denn der Präsident drohte: »Wenn sie nicht von selbst die Entscheidung treffen, können wir gern nachhelfen.«

Der Ärger ist umso größer, da Sotschi in vier Jahren Ausrichter der XXII. Winterspiele sein wird. Die künftige Olympiastadt präsentierte sich in Vancouver mit dem Einsatz von mehreren Millionen Dollar im pompösen »Russki Dom«: Sehenswerte Dokumentationen über einstige Olympiasieger wie Eisschnellläuferin Lydija Skoblikowa, die Paarläufer Irina Rodnina und Alexander Saizew oder die »Sbornaja« mit traumhaft kombinationssicherem Eishockey. Im Souvenirshop konnten bereits Trikots, T-Shirt und Maskottchen für Sotschi erstanden werden.

Gleich neben dem »Russki Dom« konnte man im »Canada Hockey Place« die ernüchternde Gegenwart des russischen Wintersports am Beispiel der Eishockey-Cracks erleben. Der amtierende Weltmeister schied schon im Viertelfinale aus. »Wir haben Weltklassespieler in Vancouver, aber keine Mannschaft«, sagte Wiktor Tichonow, der als Trainer die »Sbornaja« einst zu zwei Olympiasiegen und WM-Titeln geführt hatte. Der russische Verband plant für Sotschi nun eine Mannschaft, die sich nur aus Spielern der einheimischen KHL zusammensetzt, einer Liga mit Teams der früheren Sowjetrepubliken. Die russischen Millionäre aus der nordamerikanischen Liga NHL geben wohl nicht mehr alles für das Nationalteam. Russlands Star Alexander Owetschkin reagierte verärgert: »Wenn ich in Sotschi nicht für mein Land spielen darf, sage ich bye, bye.«

Die Hauptmisere der Russen zeigten kanadische Zeitungen auf. »Wenn die Russen wieder mehr Medaillen erkämpfen wollen, müssen sie ihre Trainer zurückholen.« In der Tat rannten die Trainer dutzendweise ins Ausland. Beispiel Eiskunstlauf: Noch 2006 schwebten russische Läufer zu drei von vier möglichen Goldmedaillen. In Vancouver gab es keine einzige, Gold ging an China, Südkorea, Kanada und die USA. Wenn Russland nicht auf der augenblicklichen sportlichen Bilanz sitzen bleiben will, müssen die besten Trainer wieder ins Boot geholt werden und das Training ohne Doping nach altbewährter gusseiserner Art intensiviert werden.

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