Löcherstopfen in der Sozialversicherung
Bundestag beschließt Stabilisierungsgesetz / Haushalt 2010 steht
Berlin (dpa/ND). Mit Finanzhilfen von rund 17 Milliarden Euro will die schwarz-gelbe Koalition einige Löcher in der Sozialversicherung stopfen. Dazu beschloss der Bundestag am Freitag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen CDU/CSU und FDP das Sozialversicherungsstabilisierungsgesetz, das den krisenbedingten Anstieg der Beiträge bremsen soll. Die Opposition kritisierte eine mangelnde Nachhaltigkeit.
Zuschuss für Nürnberg
Die Bundesagentur für Arbeit wird mit einem einmaligen Zuschuss von voraussichtlich 12,8 Milliarden Euro gestützt, um die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bei 2,8 Prozent zu halten. Zuvor hatte die schwarz-gelbe Koalition noch 16 Milliarden Euro zum Ausgleich des Defizits in der Arbeitslosenversicherung vorgesehen. Die geringere Summe sei dank einer verbesserten konjunkturellen Lage möglich, erklärte CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle. Die Arbeitnehmer sollten entlastet werden, »so dass das zarte Pflänzchen der Konjunktur weiterwachsen kann«.
Die gesetzlichen Krankenkassen, die in diesem Jahr auf ein Defizit von etwa acht Milliarden Euro zusteuern, erhalten zusätzlich 3,9 Milliarden Euro aus Steuermitteln. »Wir haben es hier mit notdürftigster Flickschusterei zu tun, um die Sozialversicherung knapp über der Wasserlinie zu halten«, kritisierte Grünen-Sozialpolitiker Markus Kurth. Die SPD-Fraktionsvize Elke Ferner sagte: »Das ist Politik von der Hand in den Mund.«
Zudem wurde das Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger auf 750 Euro pro Lebensjahr verdreifacht. Die Härtefallklausel für Hartz-IV-Empfänger, die ebenfalls mit diesem Gesetz beschlossen werden sollte, wurde zurückgestellt. Die Opposition verlangt eine öffentliche Anhörung im Bundestag. Hartz-IV-Empfänger können die Sonderzahlungen indes bereits heute beantragen.
Zu dem Gesetz gehört auch ein Sonderprogramm für Landwirte in Höhe von 750 Millionen Euro bis 2011. Bauern erhalten unter anderem eine Kuhprämie von rund 20 Euro pro Tier. SPD-Politikerin Bettina Hagedorn sprach von »Klientelpolitik«. Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) verteidigte dagegen die Finanzhilfen: »Damit wollen wir die Betriebe in schwieriger Situation stabilisieren.«
Das Sozialversicherungsstabilisierungsgesetz ist Teil des Bundeshaushalts 2010, der am Freitagmorgen nach 14-stündigen Abschlussberatungen vom Haushaltsausschuss beschlossen worden war. Die schwarz-gelbe Koalition sieht sich trotz Rekordschulden auf einem Sparkurs. Die Neuverschuldung des Bundes fällt mit 80,2 Milliarden Euro um 5,6 Milliarden niedriger aus als im Entwurf von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorgesehen war; sie beträgt jedoch mehr als doppelt so viel wie beim bisherigen Schuldenrekord von 1996.
300 Kürzungsanträge
CDU-Mann Barthle (CDU) nannte den Etat ein erstes Zeichen dafür, dass auf einen Konsolidierungskurs eingeschwenkt werde. Nach Meinung von FDP-Experte Otto Fricke zeigt die Koalition, dass sie mit dem Sparen anfange: In den Haushaltsberatungen seien gut 300 Kürzungsanträge beschlossen worden.
SPD-Experte Carsten Schneider sagte, die Koalition steuere ohne Sinn und Verstand in ein Chaos. Es sei nicht erkennbar, dass die Fachministerien den Sparvorgaben Schäubles ab 2011 folgen. Die geringere Neuverschuldung 2010 resultiere einzig und allein aus der verbesserten Konjunkturlage. »Die Pöbeleien von Herrn Westerwelle wurden schon in Zahlen gegossen«, sagte die Haushaltsexpertin der Linksfraktion, Gesine Lötzsch, mit Blick auf die Sozialstaatsdebatte von FDP-Chef Guido Westerwelle. Sie forderte eine Bankenabgabe, um die Einnahmen zu stärken.
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