Schläge gegen die Sucht

In kambodschanischen Drogentherapiezentren ist Folter Alltag

  • Michael Lenz
  • Lesedauer: 3 Min.
Wer in Kambodscha drogenabhängig ist, kann nicht auf Hilfe durch Entzugskliniken hoffen: Es gibt sie zwar, aber die »Behandlungsmethoden« beschränken sich meist auf Zwangsarbeit, Folter und Vergewaltigung.

In Drogenrehabilitationszentren in Kambodscha wird gefoltert, vergewaltigt und gequält. Diesen Vorwurf erhebt die Menschenrechtsorganisation »Human Rights Watch« (HRW) in ihrem kürzlich in Bangkok veröffentlichten Report »Hautfetzen am Kabel«. »In diesen Zentren werden die Betroffenen nicht behandelt oder rehabilitiert, sondern gesetzwidrig eingesperrt und oftmals gefoltert«, so Joseph Amon, Leiter der Abteilung »Gesundheit und Menschenrechte« der HRW. Die Betroffenen werden mit Kabeln geschlagen, mit Elektroschocks gefoltert und müssen oft auch Zwangsarbeit verrichten, heißt es in dem Report. Wer gegen die Regeln der Zentren verstößt, muss mit schmerzhaften Strafen rechnen. Betroffene würden gezwungen, »wie ein Fass auf dem Boden zu rollen« oder müssten stundenlang mit Ketten gefesselt in der Sonne stehen.

Zwei Jahre hat HRW die Zustände in den sogenannten Rehabilitationszentren recherchiert und in einem 93-seitigen Bericht die Aussagen von 76 Zeugen und Betroffenen dokumentiert. »Mit jedem Peitschenhieb blieb ein Stück Haut an dem Kabel hängen«, sagte der 16 Jahre alte M'noh über die Brutalität, die er im »Jugendrehabilitationszentrum« des Sozialamtes in Choam Chao erlebt hat.

Die 20-jährige Minea berichtete von der Vergewaltigung nach ihrer willkürlichen Verhaftung: »Sie unterzogen mich einer Körperuntersuchung, nahmen mir mein Geld und meine Drogen ab. Sie sagten ›Du hast kein Geld, warum kommst du dann nicht mit uns?‹ Sie fuhren mit mir zu einer Pension. Wie konnte ich den Sex verweigern? Ich musste es machen. Die Polizisten waren ja zu zweit. Ich hatte Sex mit jedem von ihnen. Danach durfte ich nach Hause gehen.«

Die Drogenentzugszentren in Kambodscha wurden 2006 eingerichtet. Die Zentren werden vom Sozialministerium, der Polizei und dem Militär betrieben. Die Methode des Zwangsdrogenentzugs habe Kambodscha von Nachbarländern wie Thailand und Vietnam übernommen, so HRW. Drogenabhängige würden gegen ihren Willen und ohne richterlichen Beschluss in die Zentren gesperrt. Oftmals bezahlten gar die Familien der Betroffen Polizei oder Militär dafür, dass sie einen Drogenabhängigen in die Zentren aufnähmen.

Amon sieht im mangelnden Verständnis des Wesens der Drogenabhängigkeit und im Fehlen wissenschaftlich fundierter Entzugsansätze den wesentlichen Grund für Drogenentzug durch Zwang. Drogenabhängigkeit werde als rein körperliche Angelegenheit betracht, der man mit körperlichen Strafen beikommen könne. Deshalb würden die Entzugszentren von Polizei oder Militär geführt.

Im Kreuzfeuer der Kritik steht auch das Kinderhilfswerk UNICEF der UNO. UNICEF reagierte schmallippig auf Vorwürfe der kambodschanischen Menschenrechtsorganisation LICADHO und der HRW, Kinder in mindestens eines der berüchtigten Zentren eingewiesen zu haben. Die HRW sei eine »seriöse« Organisation, sagte ein Sprecher von UNICEF gegenüber Medien in Phnom Penh, aber vor einer Stellungnahme müsse man die Vorwürfe erst prüfen. Die EU-Vertretung in Kambodscha verlangte eine Untersuchung der Vorwürfe, um festzustellen, ob die auch mit EU-Mitteln geförderte UNICEF Menschenrechtsverletzungen geduldet habe.

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