Kirche gefühlt nicht zuständig
Debatte um Entschädigung von Missbrauchsopfern
Berlin (ND-Stötzel/Agenturen). Der Vorschlag aus dem Justizministerium, die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche an einem weiteren Runden Tisch aufzuarbeiten, ist umstritten. Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte betont, dass in diesem Gremium auch über die Entschädigung von Opfern verhandelt werden solle, deren Fälle nach dem derzeitigen Zivilrecht verjährt sind. Sie plädierte für »freiwillige Wiedergutmachungen«.
Kritik daran kommt vor allem aus der katholischen Kirche. So ist die Entschädigung von Missbrauchsopfern nach Auffassung des deutschen Kurienkardinals Walter Kasper eine juristische Frage »außerhalb meines Gesichtskreises und meiner Zuständigkeit«. Zu möglichen oder erforderlichen Entschädigungen habe er auch nie ein Wort gesagt, erklärte Kasper, der sich in der italienischen Tageszeitung »La Repubblica« falsch wiedergegeben fühlte, in einem Interview mit Radio Vatikan.
Leutheusser-Schnarrenberger warf Kasper vor, das Kirchenrecht nicht zu kennen. Die Ministerin könne nach seinem Eindruck nicht zwischen kirchenrechtlicher Zuständigkeit und staatlichen Kompetenzen unterscheiden. Die katholische Kirche in Deutschland habe schließlich als einzige Institution Richtlinien zu Missbrauchsfällen erlassen. Diese könne man angesichts der Erfahrungen jetzt sicherlich verbessern. »Nun müssten auch alle anderen Institutionen, die davon betroffen sind, solche Maßnahmen ergreifen«, verlangte Kasper, der im Vatikan für die Einheit der Christen zuständig ist.
Der Beauftragte für Missbrauchsfälle der katholischen Kirche, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, geht nicht davon aus, dass die Missbrauchsopfer finanzielle Entschädigung verlangen könnten. »Sie wollen über ihr Schicksal sprechen«, sagte er. Den Opfern sei vor allem wichtig sicherzustellen, dass »die Kirche« ihre Geschichte erfahre. Die katholische Kirche werde aber für die Kosten möglicher therapeutischer Hilfe aufkommen, versprach Ackermann. Die von ihm angekündigte Hotline für Opfer sexuellen Missbrauchs solle noch vor Ostern eingerichtet werden.
Der Verein Weisser Ring, der die Opfer von Straftaten unterstützt, schreibt dagegen in einer Mitteilung: »Für die Opfer steht im Vordergrund, dass eine Schuld, auch von den verantwortlichen Trägern, anerkannt wird.« Der Vereinsvorsitzende, Reinhard Böttcher, sagt: »Wir begrüßen daher den vielseits geäußerten Willen zur Wiedergutmachung, auch finanzieller Art.« Die Opferschutzvereinigung spricht sich außerdem für eine »Harmonisierung der Verjährungsfristen von Straf- und Zivilrecht« aus. Sie macht zudem darauf aufmerksam, dass bei sogenannten Altfällen Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz geltend gemacht werden können, sollten weiter bestehende Schäden vorliegen.
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