Noch ein wenig deutscher

Stiftung »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« in der Debatte

Der wissenschaftliche Beraterkreis der Stiftung »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« hat zwei Mitglieder weniger. Die Austritte der tschechischen Historikerin Kristina Kaiserová und der deutschen Publizistin Helga Hirsch haben erneut die inhaltlichen Differenzen über das Gremium und die Stiftung offenbart.

Von außen betrachtet, schien wieder alles in Ordnung. Gegen Zugeständnisse an den Bund der Vertriebenen (BdV) hatte dessen Vorsitzende Erika Steinbach kürzlich ihren Anspruch auf einen Sitz im Rat der Stiftung »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« aufgegeben.

Doch diese Woche schrumpfte erneut der wissenschaftliche Beirat der Stiftung. Kurz hintereinander gaben die tschechische Historikerin Kristina Kaiserová und die deutsche Publizistin Helga Hirsch ihren Austritt aus dem Gremium bekannt. Da bereits im Dezember der polnische Historiker Tomasz Szarota seinen Hut genommen hatte, sind von den ursprünglich neun Mitgliedern noch sechs übrig, darunter nur mehr ein einziger Vertreter Osteuropas. Das erst vor gut einem Jahr ins Leben gerufene Projekt befindet sich, gelinde gesagt, in einer Krise.

Kaiserová beklagte eine zu starke Politisierung des wissenschaftlichen Rats, Hirsch kritisierte in ihrem Rücktrittschreiben an Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) das Fehlen einer »souveränen und profilierten Exekutive«, die »starke parteipolitische Instrumentalisierung der Debatte« sowie »Diffamierungen und Unterstellungen« durch die Presse. Das klang beinahe so, als wären sich die beiden Damen halbwegs einig. Der »Frankfurter Allgemeine Zeitung« sagte Kaiserová jedoch, der Umgang mit der Geschichte in dem Gremium entspreche nicht ihren Vorstellungen. Und die »Süddeutsche Zeitung« schrieb sogar, der »letzte Anstoß« für die Tschechin sei eine Äußerung von Hirsch gewesen, »sie habe nichts dagegen einzuwenden, dass es sich bei der gesamten Stiftung um eine vornehmlich deutsche Veranstaltung handele«. Das erinnerte an die harsche Kritik des bereits im Dezember aus dem Beirat ausgetretenen polnischen Historikers Tomasz Szarota, es gehe bei dem Projekt vor allem »um die Versöhnung der Deutschen mit sich selbst«. Er hatte die Stiftung »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« im Nachhinein als »Klon des Zentrums gegen Vertreibungen« bezeichnet. Und das betreibt der BdV.

Rücktrittsforderung

Helga Hirsch wollte auf Nachfrage dem Interview, das sie am Mittwoch dem Deutschlandradio Kultur gegeben hatte, nichts mehr hinzufügen. Darin nannte sie als »eigentlichen Grund« für die Austritte der ausländischen Kollegen den »enormen Druck«, der dadurch entstehe, dass diese ihre Nation allein zu vertreten hätten.

Gleichzeitig plädierte Hirsch für den Rücktritt des Stiftungsdirektors Manfred Kittel. »Solange eine Leitung nicht im Stande ist, politischen Gegenwind auszuhalten, solange wird dieses Projekt nicht von der Stelle kommen.« Inhaltliche Differenzen scheint es zwischen den beiden nicht zu geben. Hirsch, früher aktiv in der Studentenbewegung, teilt mit Kittel die Überzeugung, dass das Thema Vertreibung nach 1968 zu Unrecht »zurückgedrängt« worden sei. »Wer Schuld hat, darf nicht über Leid reden«, habe auch sie selbst damals gesagt. Kittel könne nicht vermitteln: »Das Thema an sich ist nicht schmutzig.« Mit dieser Überzeugung wandelte sich Hirsch zur Verbündeten von Erika Steinbach und engagierte sich auch für das »Zentrum gegen Vertreibungen« des BdV.

»In die rechte Ecke«

Der Rücktritt Kaiserovás veranlasste das Stiftungsratsmitglied Angelica Schwall-Düren und Wolfgang Thierse (beide SPD) dazu, in einer Mitteilung zu fordern: »Es ist an der Zeit, dass dieses Gremium mit Wissenschaftlern besetzt wird, die sich historisch fundiert und kritisch mit der Geschichte von Flucht, Zwangsmigrationen und Vertreibungen auseinandersetzen statt mehrheitlich den Ansprüchen des BdV zu entsprechen.« Da fühlte Hirsch sich offenbar angesprochen: Es sei »das alte Spiel«, dass diejenigen, die sich engagierten, »in die rechte Ecke getrieben« würden. Dabei habe die SPD doch das Gesetz für die Stiftung als staatliche Institution gebilligt.

Sollte Erika Steinbach über die Entscheidung Hirschs zürnen, so verstand sie es, ihren Ärger im Zaum zu halten. Im Deutschlandradio Kultur attestierte sie Hirsch lediglich »ein Stück Ungeduld«.

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