Jerusalems Tempelberg erlebt »Tage des Zorns«
Junge Palästinenser in Straßenkämpfen mit israelischer Polizei
In Ost-Jerusalem ist es am Dienstag zu Gewalt zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften gekommen. Angesichts dessen und der israelischen Siedlungspläne für Ost-Jerusalem hat der US-Sondergesandte Mitchell seinen Besuch in Israel verschoben.
Jerusalem/Damaskus (dpa/ND). Im Nahen Osten brodelt es wieder. An einem von der palästinensischen Hamas-Organisation ausgerufenen »Tag des Zorns« lieferten sich junge Palästinenser in Jerusalem Straßenkämpfe mit der Polizei. 45 Palästinenser wurden dabei nach Polizeiangaben am Dienstag festgenommen und 38 verletzt. Acht israelische Polizisten erlitten Verletzungen. Auch im Gazastreifen gingen aus Protest gegen die Lage in Jerusalem Tausende von Palästinensern auf die Straße.
Von den Morgenstunden an warfen Demonstranten in verschiedenen arabischen Vierteln im Norden und Osten Jerusalems mit Steinen und zündeten Autoreifen an. Sie folgten damit dem Aufruf der Hamas zum »Tag des Zorns«. Die Polizei setzte Tränengas und Blendgranaten gegen die Demonstranten ein. Bis Freitag soll erhöhte Alarmbereitschaft gelten.
Hintergrund der Unruhen sind Befürchtungen der Palästinenser, Israelis könnten auf den Tempelberg in Jerusalem vordringen, um dort den Grundstein für einen neuen jüdischen Tempel zu legen. Muslime verehren den Tempelberg mit der Al-Aksa-Moschee und dem Felsendom als Haram al-Scharif (Edles Heiligtum). Er steht nach jüdischer Überlieferung auf den Überresten des im Jahre 70 zerstörten zweiten jüdischen Tempels. Ein Polizeisprecher betonte am Dienstag, weder jüdische Gruppen noch Touristen dürften gegenwärtig die umkämpfte heilige Stätte besuchen. »Auf den Tempelberg dürfen nur muslimische Gläubige, die älter als 50 Jahre sind.«
Der US-amerikanische Nahostgesandte George Mitchell verschob unterdessen einen geplanten Vermittlungsbesuch. Das Büro des israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres teilte am Dienstag mit, man sei von der US-Botschaft über die Absage informiert worden. Ein am geplantes Treffen zwischen Peres und Mitchell werde daher nicht stattfinden. Mitchell sollte bei indirekten Friedensgesprächen zwischen Israelis und Palästinensern vermitteln. Ein Sprecher der US-Botschaft in Tel Aviv teilte diplomatisch mit, Ursache des Aufschubs sei nicht der jüngste Siedlungsstreit, sondern es gebe »logistische Gründe«.
Die USA hatten Israels Pläne, in Ramat Schlomo im Nordosten Jerusalems 1600 neue Wohnungen zu bauen, stark kritisiert. Die Aktion »habe das Vertrauen und die Zuversicht für den Friedensprozess und die amerikanischen Interessen untergraben«, sagte Außenamtssprecher Philip Crowley am Montag in Washington.
Nach israelischen Medienberichten hat US-Außenministerin Hillary Clinton dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mehrere Forderungen unterbreitet, darunter einen Stopp des Bauprojekts in Ramat Schlomo. Die USA warteten auf eine offizielle Antwort der israelischen Regierung, sagte Crowley.
Der syrische Präsident Baschar al-Assad hat die EU aufgefordert, im Nahostkonflikt eine eindeutigere Haltung einzunehmen. In einer Erklärung, die das Präsidentenbüro am Dienstag nach einem Treffen zwischen Assad und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton veröffentlichte, hieß es, es sei notwendig, dass die Union festlege, welche Rolle sie in der Region überhaupt spielen wolle. Ashton betonte, ihr sei sehr daran gelegen, auf ihrer ersten Nahostreise herauszufinden, wie die EU ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss nutzen könne, um Israel und die Palästinenser dazu zu bringen, die Gespräche wieder aufzunehmen.
Ashton, die ihre Reise am Montag in Kairo begonnen hatte, besucht auch Israel, Libanon und die Palästinensergebiete. Muallim lobte ihre Absicht, auch in den von der Palästinenserbewegung Hamas kontrollierten Gazastreifen zu reisen. Er sagte: »Es ist wichtig, dass sie mit eigenen Augen sieht, wie die Situation dort ist, nachdem die Blockade jetzt schon 1000 Tage andauert.« Er und Ashton seien sich einig, »dass Israels Siedlungspolitik ein Hindernis auf dem Weg zu einer Wiederaufnahme des Friedensprozesses ist«.
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