Toyota schlägt zurück
Autokonzern macht Fahrer für Unfallserie in den USA mit verantwortlich
Zwei Monate lang musste Toyota als Prügelknabe der Autonation USA herhalten. Jetzt geht der japanische Hersteller zum Angriff über. Die Techniker mühen sich, Schwindler und Scharlatane zu entlarven, die von der Pannenserie profitieren wollen. Die Botschaft ist klar: Nicht jede Kundenbeschwerde ist berechtigt und nicht jeder Unfall geht auf einen Konstruktionsfehler zurück.
Binnen weniger Tage erwiesen sich zwei prominente Fälle ungewollten Beschleunigens als zumindest fragwürdig: Im Falle einer Frau, die ihren Prius in einem New Yorker Vorort vor eine Mauer setzte, sieht alles nach einem Fahrfehler aus. Und bei einem Mann, der mit seinem Hybridwagen fast 50 Kilometer über einen Highway nahe San Diego brauste, wird über böse Absicht spekuliert. Toyota selbst schürt mit gezielten Informationen die Zweifel.
»Trittbrettfahrer gibt es bei jedem Rückruf«, sagt Autoexperte Christoph Stürmer vom Wirtschaftsforschungsinstitut IHS Global Insight. Auch sei es normal, dass die Zahl der Beschwerden rapide ansteige. »Die meisten Autofahrer wissen doch gar nicht, dass es eine Hotline gibt.« Und erführen sie davon, lüden sie dort gleich all ihre Sorgen und Nöte ab, die sie seit Jahren mit sich herumtragen.
»Der Fehler sitzt oft hinterm Steuer«, sagt Stürmer. Er schätzt, dass drei von vier Defekten auf schlechte Wartung, Verschleiß oder ruppige Fahrweise zurückgingen. »Wenn ein Europäer ein Schlagloch sieht, bremst er und fährt drum herum. Wenn ein Amerikaner ein Schlagloch sieht, hält er Kurs und fährt rein.«
Die Statistiken sprechen für Toyota: In Sachen Zuverlässigkeit rangieren die Autos immer noch ganz oben. In der viel beachteten Rangliste des US-Marktforschers J. D. Power etwa landet Toyota als bester Massenhersteller auf Platz sechs. Doch der gute Ruf der Vergangenheit allein reicht nicht, um das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Das zeigen die niederschmetternden Absatzzahlen der vergangenen beiden Monate. Mit lediglich jeweils rund 100 000 verkauften Autos schnitten die Japaner in den USA so schlecht ab wie seit zehn Jahren nicht mehr.
In diesem Monat soll alles anders werden. Toyota hat die größte Rabattaktion seiner Geschichte mit Null-Prozent-Finanzierung, niedrigen Leasingraten und zwei Jahren kostenloser Wartung gestartet. Die Experten des Automarktplatzes Edmunds.com schätzen, dass die Verkäufe um 30 Prozent in die Höhe schnellen werden. »Amerikaner lieben Schnäppchen«, sagt Edmunds-Chef Jeremy Anwyl. Besonders in der Wirtschaftskrise.
Gelingt es dem Autobauer, seine alten Kunden durch guten Service zu halten und neue durch Rabatte zu gewinnen, »kann Toyota das Feuer sehr schnell austreten«, sagt Experte Stürmer. Wären da nicht die vielen Klagen in den USA. Unfallopfer verlangen Schmerzensgeld, Autobesitzer Ausgleich für den gesunkenen Wert ihrer Wagen, Händler Wiedergutmachung für ihre Umsatzeinbußen und Aktionäre für erlittene Kursverluste.
Richtig gefährlich wird es für Toyota, wenn sich Betroffene zusammentun und eine Sammelklage anstrengen. Von zweistelligen Milliardenbeträgen, die auf die Japaner zukommen könnten, ist die Rede. Kommt es zu Prozessen, stünden täglich tragische Unfallgeschichten in den Medien. Diesen Kampf kann Toyota kaum gewinnen.
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