Irdische Vorhölle

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 2 Min.

Geschlagen, gequält, geschändet – es gibt Abertausende misshandelte Minderjährige in Irland, die ihre »Vorhölle« schon auf Erden erleiden mussten. Limbus infantium nennt die katholische Kirchenlehre das im Mittelalter eigentlich für ungetaufte tote Kinder erfundene bizarre Konstrukt. Die päpstliche Theologenkommission hat es vor zwei Jahren abgeschafft. Man sage nicht, der Vatikan sei nicht lernfähig. Was aber hat Benedikt XVI. aus der jüngsten Krise seiner Kirche gelernt? Nicht genug, meinen Opferverbände auf der gottesfürchtigen »Grünen Insel«, die Gerechtigkeit für die Geschundenen fordern. Sein Hirtenbrief wirft den irischen Bischöfen zwar schwere Fehler vor, spricht von Sünde, Schande, Schuld und Reue, werde den Erwartungen jedoch »bei Weitem« nicht gerecht. Selbst eine Entschuldigung für die Vertuschung und den Schutz von Sexualstraftätern fehlt. Von einem Gesprächsangebot für die Opfer oder Konsequenzen für Amtsträger ganz zu schweigen. Mit seiner Fokussierung auf Irland nach all den Enthüllungen in Deutschland und anderen Ländern lässt der Pontifex den Eindruck entstehen, als wolle er nicht die globalen, weil strukturellen innerkirchlichen Dimensionen der schändlichen Vorgänge sehen. Und wenn er für sie sozialen Wandel und Verweltlichung mitverantwortlich macht, wird es vollends absurd. Die Hoffnung der irischen Kirchenfürsten, dieser Hirtenbrief weise den Weg in eine »Zeit der Wiedergeburt», ist mehr als trügerisch.

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