Frankreichs »dritter Wahlgang«

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 2 Min.
Als »Dritten Wahlgang« bezeichnen viele linke Politiker und die Medien den heutigen Nationalen Streik- und Aktionstag gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Rechtsregierung.

Mit dem Aktionstag wollen die CGT und andere kampfentschlossene Gewerkschaften ihren Beitrag zum Sieg der Linken bei den Regionalwahlen leisten und diesen gewissermaßen abrunden. Der Ausstand betrifft landesweit den Eisenbahnverkehr und den städtischen Nahverkehr, die Post, die Schulen und die Krankenhäuser. Doch es streiken auch viele Beschäftigte der Privatwirtschaft, beispielsweise bei Banken und Industrieunternehmen. Sie fordern Sicherheit für Arbeitsplätze und Renten sowie eine Aufbesserung der Einkommen und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen.

Mehr als 80 Demonstrationen sind geplant, doch eine große gemeinsame Manifestation in Paris mit den Führern der größten Gewerkschaften an der Spitze gibt es diesmal nicht. Schon das Zustandekommen des Streik- und Aktionstags überhaupt war ein Kompromiss, doch über eine einheitliche Plattform ihrer Forderungen konnten sich die Gewerkschaften dann nicht einigen. Das droht den Erfolg der Aktionen einzuschränken und gibt der Rechtsregierung die Möglichkeit zu lavieren. Während CGT und SUD den breitesten Katalog von Forderungen vorgelegt und die meisten Demonstrationen organisiert haben, wollten CFDT und UNSA eine zu starke »Politisierung« des Aktionstages vermeiden, FO will nur gegen die geplante Rentenreform der Regierung demonstrieren und CFTC wie CFE-CGC haben gar nicht erst zur Teilnahme am Streik- und Aktionstag aufgerufen.

Dabei mangelt es nicht an Sorgen, Befürchtungen und Forderungen der Arbeitnehmer. Unter Hinweis auf die Krise haben sich in vielen Zweigen die Unternehmer geweigert, die Löhne anzuheben oder sie haben nur minimale Erhöhungen zugestanden. So hat man beispielsweise den Beschäftigten des Parfümherstellers YSL Beauté eine Erhöhung um 1,2 Prozent angeboten, was für die meisten Mitarbeiter nur 30 Euro im Jahr ausmacht. Dabei hat der L’Oréal-Konzern, zu dem das Werk gehört, im vergangenen Jahr trotz der Krise mehr als zwei Milliarden Euro Gewinn gemacht.

Landesweit sind im vergangenen Jahr 322 000 Arbeitsplätze vernichtet worden und Anfang 2010 ist die Arbeitslosenrate erstmals seit Jahren wieder über die 10-Prozent-Marke geschnellt. Die Lohnmenge hat sich 2009 um 1,3 Prozent verringert und die entsprechenden Einnahmeverluste ließen das schon gigantische Defizit der Kranken- und Rentenkassen um weitere zwei Milliarden Euro anschwellen. In dieser Situation plant Präsident Nicolas Sarkozy seine nächste einschneidende Reform, diesmal gegen das Rentensystem. Das Rentenalter soll heraufgesetzt und die Beitragsdauer verlängert werden, doch ob dadurch Kürzungen der Renten vermieden werden können, ist offen. Dieses Thema dürfte im Mittelpunkt der sozialen Auseinandersetzungen der nächsten Monate stehen, denn Sarkozy will die Reform bis zum Herbst durchpeitschen.

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