Sachsen öffnet sich zaghaft für Ausländer

CDU redet vom »Einwanderungsland« / Migrantenvertreter wollen politische Mitbestimmung

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
In der sächsischen Regierungspolitik scheint sich die Sicht auf Ausländer zu ändern. Der CDU-Fraktionschef sieht den Freistaat als Einwanderungsland. Initiativen, die gegen Rassismus arbeiten, wollen freilich Taten sehen.

Leipzigs Innenstadt sollten Migranten an Wochenenden meiden. Ein »Diskokrieg« sorgt für häufige Polizeikontrollen. Gefilzt wird vor allem, wem die nichtdeutsche Herkunft anzusehen ist, »teils sechs- bis siebenmal am Abend«, sagt Daniel Bartel vom Antidiskriminierungsbüro (ADB) Leipzig – ein Beispiel für alltäglichen Rassismus.

Vorbehalten und Ablehnung begegnen Zuwanderer aber nicht nur im Alltag; sie sind auch »institutionalisiert«, sagt Astrid Tautz. Sie ist Redakteurin einer vom ADB herausgegebenen und zusammen mit einem guten Dutzend weiteren Initiativen erstellten Broschüre, mit der erstmals ein schlaglichtartiger Überblick über, so der Titel, »Rassismus in Sachsen« gegeben wird. Rassismus, heißt es dort, zeige sich auch in Gesetzen und Institutionen – oder deren Fehlen: Als einziges Bundesland, so Tautz, habe Sachsen kein Integrationskonzept.

Während Kritiker der Landespolitik und vor allem der CDU vorwerfen, das Thema Ausländer lange ignoriert zu haben, deutet sich derzeit ein Sinneswandel an. Unlängst legte der frisch gewählte Ausländerbeauftragte Martin Gillo »Anregungen für ein weltoffenes Sachsen« vor. Der CDU-Mann fordert darin die Aufhebung der Residenzpflicht, die für geduldete Ausländer Reisen jenseits ihres Landkreises beschränkt. Auch setzte er sich dafür ein, Flüchtlingsfamilien nicht mehr in Heimen, sondern in dezentralen Unterkünften unterzubringen, wenn die Kinder in der Schule integriert sind. Asylbewerber sollten flächendeckend Bargeld statt Sachleistungen erhalten.

Bemerkenswert waren nicht nur die Thesen, sondern auch das positive Echo in der CDU. Fraktionschef Steffen Flath sagte, Sachsen müsse sich als Einwanderungsland begreifen. Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau sah einen regelrechten »Meinungsumschwung in der CDU«. Ihr Kollege André Hahn von der LINKEN zeigte sich ebenfalls angetan, merkte aber an, der Adressat von Flaths Forderung sei zuvörderst dessen eigene Partei.

In Migrantenorganisationen ist man vorsichtig optimistisch. Gillos Anregungen seien »äußerst begrüßenswert«, sagt Nabil Yacoub vom Sächsischen Migrantenbeirat auf ND-Anfrage. Die Äußerung Flaths stößt beim langjährigen Vorsitzenden des Ausländerrats Dresden auf weniger Begeisterung. Flath hatte vor allem auf demografische und wirtschaftliche Gründe verwiesen. Zuwanderer würden vorrangig als Gastarbeiter gesehen, sagt Yacoub: »Das hat aber nichts mit ihrer Akzeptanz als Bürger zu tun.« Von Mitbestimmung seien die Ausländer, deren Zahl in Sachsen auf 85 000 bis 115 000 geschätzt wird, weit entfernt. Nur in vier sächsischen Städten gibt es Ausländerbeiräte; drei werden nicht gewählt: Ihre Mitglieder ernennt die Verwaltung. Keiner ist mehr als ein Gremium mit lediglich beratender Stimme. Yacoub verweist auch auf die Tatsache, dass im Entwurf für das derzeit endlich diskutierte Integrationskonzept das Thema politische Mitbestimmung ursprünglich keine Rolle gespielt habe. Erst die Intervention von Migrantenvertretern habe dazu geführt, dass nun auch dieser Aspekt beraten wird – mit offenem Ausgang. Ohne Mitwirkung aber, sagt Yacoub, »gibt es keine Integration«.

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