Gesundheitsreform muss zurück ins Repräsentantenhaus
In zwei Fällen mussten jetzt aber ein paar strittige Textzeilen gestrichen werden und deshalb müsse das ganze Gesetz noch einmal von den Abgeordneten gebilligt werden, berichteten die Zeitungen "New York Times" und "Politico". Es handle sich um 16 Zeilen in dem 153- seitigen Entwurf, die auch nichts mit der eigentlichen Reform zu tun hätten, hieß es bei "Politico". Die Zeitungen beriefen sich auf einen Sprecher des demokratischen Senats-Fraktionschefs Harry Reid.
Ob dies für die Demokraten ein großes Problem darstelle, sei noch offen, berichtete der Sender MSNBC. Die "New York Times" zitierte einen Sprecher des demokratischen Senators Tom Harkin mit den Worten, die Änderungen seien minimal, und das Abgeordnetenhaus werde das Gesetz schnell noch einmal verabschieden. Das Abgeordnetenhaus hatte das Gesetz bereits gebilligt. Für die am Dienstag geplante Abstimmung im Senat hatten die Demokraten das Beipaket so geschnürt, dass es einen Bezug zum Haushalt hat. Nach Kongressregeln reicht bei derartigen Vorlagen zur Verabschiedung eine einfache Mehrheit von 51 Stimmen aus. Ohne dieses "Reconciliation" genannte Manöver hätten die Demokraten im Senat 60 Stimmen - also mehr als sie zur Zeit haben - aufbieten müssen, um Blockadetaktiken der Republikaner zu verhindern.
In der nächtlichen Sitzung hatten die Republikaner zahlreiche Einwände gegen den Textentwurf eingebracht, die in den meisten Fällen von den Demokraten abgeschmettert wurden. Doch in einem Fall, bei dem es um die Unterstützung für Studenten aus ärmeren Familien geht, und in einem anderen Fall, setzten sich die Republikaner durch. Um 02:45 Uhr Ortszeit beendete Reid dann nach Angaben der "New York Times" die Sitzung. Am Donnerstag um 09.45 Uhr sollte es weiter gehen.
Chronologie des Ringens um die US-Gesundheitsreform
Hamburg (dpa) - US-Präsident Barack Obama hat ein Jahr lang für eine umfassende Gesundheitsreform gekämpft. Am Dienstag unterzeichnete er dann das entsprechende Gesetz, das aber noch in einigen Punkten geändert werden soll. Die Republikaner versuchen mit verschiedenen Manövern, diesen Prozess zumindest zu verzögern - und haben dabei einen ersten Erfolg erzielt. Ein Rückblick:29. Juli 2009: Im Repräsentantenhaus einigen sich die Demokraten auf einen Kompromiss. Er sieht unter anderem eine Verringerung der Kosten und eine Befreiung kleinerer Firmen von der Pflicht zur Versicherung ihrer Angestellten vor. Im Finanzausschuss des Senats verständigen sich Demokraten und Republikaner auf eine Vorlage, die die Kosten auf knapp 900 Milliarden Dollar drückt - Obamas Originalplan würde nach Schätzungen eine Billion Dollar kosten.
17. August 2009: Nach massiver Kritik konservativer Kreise deutet die Regierung die Bereitschaft zum Verzicht auf die Einrichtung einer staatlichen Krankenkasse an.
9. September 2009: Mit einer Rede vor dem Kongress versucht Obama Kritiker von seinem Plan zu überzeugen. Demnach soll die überwältigende Mehrheit der krankenversicherten Amerikaner einen sicheren und bezahlbaren Schutz haben. Zudem müssten 30 Millionen nicht versicherte Amerikaner eingebunden werden.
13. Oktober 2009: Der Finanzausschuss des Senats stimmt einer Gesetzesvorlage zu, die einen Versicherungsschutz für 94 Prozent aller Amerikaner vorsieht. Die Kosten des Gesundheitssystems sollen langfristig reduziert werden. Die Vorlage muss insbesondere mit dem Entwurf des Gesundheitsausschusses in Einklang gebracht werden.
7. November 2009: Das US-Abgeordnetenhaus verabschiedet mit knapper Mehrheit einen Gesetzentwurf, der auch die Einführung einer staatlichen Krankenversicherung als Alternative zu privaten Anbietern vorsieht. Im Senat liegt ein demokratischer Entwurf vor, der auch weitgehend Obamas Vorstellungen entspricht. Im Fall einer Verabschiedung im Senat müssen die Vorlagen beider Kammern miteinander in Einklang und dann zur Abstimmung gebracht werden.
24. Dezember 2009: Die angestrebte Reform passiert den Senat, muss aber in beiden Parlamentskammern in eine zweite Runde. Wichtigster Punkt des Senatsentwurfs ist, dass fast 31 Millionen bisher unversicherte Amerikaner künftig eine Versicherung erhalten.
19. Januar 2010: Die Demokraten verlieren bei der Senatsnachwahl im Bundesstaat Massachusetts. Obama verfügt nun in der kleineren Kongresskammer nicht mehr über die nötige 60-Stimmen-Mehrheit zur Durchsetzung wichtiger innenpolitischer Gesetzesvorhaben.
22. Februar 2010: Obama legt einen Kompromissentwurf vor.
25. Februar 2010: Der "Gesundheitsgipfel", zu dem Obama Demokraten und Republikaner geladen hat, endet ohne Einigung. Die Republikaner fordern einen Neuanfang für den Gesetzesprozess und lehnen die Regierungskontrolle über das Gesundheitssystem ab.
21. März 2010: Die Reform kommt. Mit hauchdünner Mehrheit billigt das Abgeordnetenhaus die entsprechende Senatsvorlage und ein Änderungspaket. Ziel ist, dass am Ende 95 Prozent der US-Bürger versichert sind. Derzeit sind es 83 Prozent. Kosten für den Staat: 940 Milliarden Dollar (696 Milliarden Euro). Eine Grundversicherung wird für die meisten Amerikaner zur Pflicht.
23. März 2010: Obama unterzeichnet das Gesetz. 14 Bundesstaaten reichen umgehend Klage gegen die Reform ein.
25. März 2010: Republikanische Gegner der Reform erreichen, dass strittige Textzeilen gestrichen werden. US-Medien zufolge muss deshalb über den Entwurf noch einmal im gesamten Abgeordnetenhaus abgestimmt werden.
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