Alle ICE müssen zur »Rollkur«
Deutsche Bahn präsentierte ihre Bilanz und neue Vorhaben
»Beim Rückblick auf das Krisenjahr 2009 hat die Deutsche Bahn den Stress-Test erfolgreich bestanden.« Rüdiger Grube, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, gab sich am Donnerstag bei der Bilanzpressekonferenz in Frankfurt am Main betont positiv. Er verwies auf die schwarze Zahl des »bereinigten EBITs«, also des Ergebnisses nach Steuern, von 1,7 Milliarden Euro. Freilich ist dies eine Verschlechterung um fast ein Drittel gegenüber dem Vorjahr.
Auch bei den Umsätzen bietet sich ein gemischtes Bild: ganz geringer Zuwachs im Schienennahverkehr, weniger Reisende im Fernverkehr, noch weniger bei den Bahnbussen. Zu den Ursachen zählen die technischen Pannen und Mängel bei den Fahrzeugen.
Im Schienengüterverkehr, Schenker-Rail, sank die Tonnage um 10 Prozent oder 38 Millionen auf 341 Millionen Tonnen. Grube schätzt, die früheren Volumina werden nicht vor 2014 wieder erreicht. Mit den Rückgängen litt auch die Inanspruchnahme der Fahrwege, und damit sanken die Einnahmen der Trassenpreise.
Grube unterließ es nicht, Eigenlob zu vergießen (»Wir haben die Verschuldung gesenkt!«), formulierte aber auch reichlich Managerdeutsch, wenn es ums Sparen ging: nachhaltige Kostenoptimierun, Konsolidierung vorantreiben, die Wirtschaftlichkeit verteidigen! Dazu gehört wohl auch der stetige Personalabbau, der im vergangenen Jahr trotz des Zugangs von 6000 Mitarbeitern einer übernommenen polnischen Güterbahn weiter voranschritt.
Dass die DB unter den Reisenden nicht mehr als zuverlässig gilt, schob der Bahnchef wortreich der Industrie zu. Diese sei für die Ausfälle und Qualitätsmängel der ICE sowie der S-Bahn-Fahrzeuge verantwortlich. Das Verhältnis zu den Herstellern soll neu definiert werden. Die vom Eisenbahn-Bundesamt angeordneten verdichteten Kontrollen der Fahrzeuge werden auch 2010 die Bilanz vermiesen, denn die angekündigte »Rollkur« (Auswechslung schadhafter Teile im laufenden Betrieb, d.Red.) für alle ICE kostet auch Geld.
Die Probleme bei den ICE und der Berliner S-Bahn sorgten 2009 für besonders hohe Gewinnrückgänge um jeweils rund 50 Prozent in den Sparten Fern- und Stadtverkehr. Dagegen legte der größte Gewinnbringer, der Regionalverkehr, sogar leicht zu – auf 870 Millionen Euro.
Grube sprach von Bemühungen, beim Kunden die Vertrauensbasis auszubauen und besseres Ansehen zu gewinnen: »Wir wollen sympathischer werden!« Folgende Initiativen würden gestartet: Qualitäts-, Technik- und Kundenoffensive, darunter im Sommer die Entscheidung über neue Züge als Nachfolger des Intercity und für den Nahverkehr. Zu den Fehlleistungen im Winter, mit dem die Bahn überhaupt nicht zurechtkam, gab es ein wenig Selbstkritik, aber auch reichlich Lob für die Mitarbeiter und die Zusage eines freien Tages.
Mehr Information, der Gratis-Zugang zu den wenigen Warteräumen und auch 1000 Mann mehr Personal auf den Bahnhöfen werden es aber nicht allein richten. Die Eisenbahngewerkschaft Trans-net hatte bereits auf die zu starke »Budgetierung der Wintervorbereitungen« hingewiesen und auf die mangelnde Koordinierung.
Nach der Datenaffäre soll eine »wertorientierte Unternehmenskultur« Einzug halten, und auch das Verhältnis zur Politik soll auf eine neue Grundlage gestellt werden. Zu spüren ist eine Abkehr von der Hemdsärmlichkeit von Grube-Vorgänger Hartmut Mehdorn, der viele Politiker und Fachleute geradezu genüsslich vor den Kopf stieß.
Unglaubwürdig werden die Pläne zum Konsolidieren, wenn sich die Bahn in umstrittene milliardenschwere Abenteuer stürzt – wie die Tieferlegung eines Hauptbahnhofs (»Stuttgart 21«) oder das Buhlen um den britischen Konzern Arriva. Grube beteuert, das Übernahmeangebot stehe noch nicht fest. Er vermutet aber, dass im europäischen Wettbewerbskampf am Ende fünf große Unternehmen übrig bleiben. »Wir werden uns nicht die Butter vom Brot nehmen lassen.«
Zahlen & Fakten
- 2009 reisten 1908 Millionen Menschen (–0,6 Prozent im Jahresvergleich)
- Die Bahn transportierte 341 Millionen Tonnen Güter (–10 %)
- Die Züge legten 1003 Millionen Kilometer zurück (–3,8 %)
- Der Umsatz betrug 29,335 Milliarden Euro (–12,3 %)
- Ergebnis vor Ertragssteuern: 1,387 Milliarden Euro (–23,2 %)
- Eigenkapital: 13,066 Milliarden Euro (+7,5 %)
- Netto-Finanzschulden: 15,011 Milliarden Euro (–5,8 %)
- 239 382 Mitarbeiter im Gesamtkonzern (–10 120) ND
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