Mobilität ohne Sprit

  • Rudolf Hickel
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Bundespräsident hat Recht: Wirtschaft und Gesellschaft müssen spürbar auf den ökologischen Umbau ausgerichtet werden. Brutale Ausbeutung durch Wirtschaft und private Haushalte hat die Natur schon lange aus dem Gleichgewicht gebracht. Deutschland sollte im internationalen Kampf gegen die Klimakatastrophe eine Vorreiterrolle übernehmen. Aber Umweltpolitik spielt in der schwarz-gelben Regierung kaum noch eine Rolle, wird durch die Pflege profitwirtschaftlicher Interessen verdrängt. Massive Umweltschädigung wird als Preis des Wirtschaftswachstums programmiert.

Der durch den Bundespräsidenten vorgeschlagene Klassiker Ökosteuer auf den Benzinverbrauch erweist sich jedoch als untauglich. Ohne Monopolmacht ergibt sich der markträumende Preis aus Angebot und Nachfrage. Daran ändert auch die breite Zustimmung der Umweltverbände, vor allem der Gralshüter der Ökosteuer, nicht viel. Hier setzt die Ökosteuer an. Die gesellschaftlichen Folgekosten der privaten Nutzung des Pkw werden beim Fahrer durch einen ökologischen Aufschlag auf den Normalpreis internalisiert. Damit verbindet sich die Hoffnung, diese politisch gewollte Preiserhöhung führe zur Reduktion des Spritverbrauchs. Diese Unterstellung eines funktionierenden Wettbewerbs ist ärgerlich naiv, ja sie wird ideologisch rechthaberisch behauptet. Heute sind die Ölmärkte einerseits durch monopolistische Preisbildung – nicht nur der Ölscheichs – bestimmt. Andererseits ist Öl auf den internationalen Rohstoffmärkten Gegenstand von Spekulation per Warentermingeschäfte. Um die spekulativen Preissprünge zu dämpfen, hat die Aufsichtsbehörde in den USA jetzt eine Obergrenze des Handels für Spekulanten festgelegt. Es dürfen nicht mehr als 98 Millionen Fass auf einmal gehandelt werden. Warum kritisiert der Bundespräsident nicht diese hoch spekulative, monopolistische Preisbildung? Beim Schwur auf die Ökosteuer in der Umweltbewegung ist viel marktwirtschaftliche Ideologie im Spiel. Wenn schon gesteuert werden soll, dann bitte nur über Marktanreize, deren Früchte die Ölmultis gerne abkassieren. Damit ist klar, eine Erhöhung der Ökosteuer löst kaum eine Lenkungswirkung, nämlich den Rückgang des Einsatzes von Benzin, aus.

Studien zur stufenweisen Erhöhung der Ökosteuer belegen, dass auf die steigenden Preise kaum mit der Einschränkung von Nachfrage nach Benzin reagiert worden ist. Sicherlich, die ökologisch begründete Verteuerung von Benzinpreisen in Deutschland ist so gering ausfallen, dass die Lenkungswirkung nicht zustande kam und am Ende nur eine neue Einnahmequelle für den Bundeshaushalt geschaffen worden ist. Schließlich begründet die ideologisch geprägte Verwendung dieser Einnahmen aus der Ökosteuer das Scheitern. Weder die umweltpolitischen Ziele noch die Stärkung der Beschäftigung sind mit der Strategie der Grünen »Rasen für die Rente« erreicht worden. Der Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrssystems als Voraussetzung für den Ausstieg aus dem Pkw ist nicht finanziert worden. Ja, die Bundesbahn hat in dünn besiedelten Regionen das Angebot noch eingeschränkt. Die Zeche zahlen die Pendler.

Umweltpolitik darf nicht auf die höchst unsicheren, ja zweifelhaften Wirkungen der Ökosteuer setzen und den monopolitischen Anbietern und Spekulanten Extraprofite sichern. Vielmehr muss die Strategie »Weg vom Öl« durchgesetzt werden. Dazu gehört die Forcierung von spritarmen Automobilen und schließlich einer Mobilität ohne Sprit, also mit alternativen Antriebstechnologien.

In der wöchentlichen ND-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.

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