Vom Venedig zum Atlantis Asiens
Die Hauptstadt Thailands sinkt / Ein Anstieg des Meeresspiegels wäre verheerend
Früher einmal war Bangkok das »Venedig des Fernen Ostens«. Hunderte von Kanälen durchzogen die in sumpfigem Gelände erbaute thailändische Hauptstadt. Damals war das Boot noch das beste Fortbewegungsmittel. Heute sind die Kanäle fast alle zugeschüttet oder überbaut. Der Klimaexperte Anond Snidvongs befürchtet jedoch, dass in naher Zukunft Bangkok wieder eine Wasserstadt sein wird. Seine Prognose: »Bangkok versinkt.« Denn die 13-Millionen-Stadt wird von der Last ihrer eigenen Bebauung in den morastige Grund gedrückt, was wiederum das Eindringen des Wassers aus dem Golf von Siam beschleunigt. »Die östliche Seite versinkt mit 20 Millimetern pro Jahr schneller als die westliche«, sagt Anond Snidvongs, Direktor des »Climate Change Knowledge Center in Bangkok«.
Die Urbanisierung der natürlichen Überflutungsgebiete des Flusses Chaophraya, der in Bangkok in den Golf von Siam mündet, sei ein weiterer Faktor für Bangkoks massives Umweltproblem. Das wird verschärft durch eine tektonische Besonderheit, die außerhalb menschlicher Einflussmöglichkeiten liegt. »Seit dem Erdbeben von 2004, das in Asien den Tsunami ausgelöst hatte, hat sich die Sinkrate beschleunigt«, sagt Anond. Bis 2050, schätzt er, werde das Wasser um etwa einen halben Meter steigen. »Dann müssen Teile Bangkoks aufgegeben werden.«
An Lösungsvorschlägen zur Rettung Bangkoks mangelt es nicht: Cor Dijkgraaf, der als Stadtplaner, Klimaexperte und Architekt seit vielen Jahrzehnten in Asien aktiv ist, kann sich einen mehrere Hundert Kilometer langen Damm durch den Golf von Thailand vorstellen. »Das wird teuer«, sagte Dijkgraaf der in Bangkok akkreditierten Journalistenschar unlängst bei einer Veranstaltung im »Foreign Correspondents Club Thailand«. »Aber der Verlust von Industrie und Landwirtschaft wird noch teurer sein.«
Die schrillen Alarmglocken der Experten verhallen in Bangkok weitgehend ungehört. Kurzfristiges Denken wie auch die noch unsichere wissenschaftliche Datenlage verhindern langfristige Entscheidungen. »Selbst wir Wissenschaftler glauben nicht, dass wir mit Gewissheit raten können, was man tun oder was man nicht tun sollte«, gibt Anond zu.
Immer öfter sieht man in Bangkok vor Häusern ein, zwei nachträglich gebaute Treppenstufen, weil der Grund eingesunken ist. Die Probleme sind unübersehbar. Vor den Toren der Stadt ragen Masten aus dem Wasser, die vor wenigen Jahren auf trockenem Land errichtet worden waren. Deshalb warnt Anond davor, hundertprozentig sichere Daten abzuwarten: »Bangkok muss jetzt an seine Zukunft denken.«
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